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Die Russische Orthodoxe Kirche und der Krieg gegen die Ukraine

Das Themendossier nimmt die Rolle des Moskauer Patriarchats in den Blick, das den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ideologisch rechtfertigt. Unter Patriarch Kirill beteiligt sich die Kirche an der Konstruktion eines nationalkonservativen Diskurses. Dissidente Stimmen innerhalb der Kirche werden dagegen zum Verstummen gebracht.

Regula Zwahlen: Krieg, Frieden und die Russische Kirche
Das Moskauer Patriarchat rechtfertigt den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ideologisch. Einen nationalkonservativen Diskurs zur Verteidigung vaterländischer Werte pflegen viele Kirchenhierarchen seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion, als sich die Russische Orthodoxe Kirche als Bewahrerin der historischen Einheit der „Heiligen Rus“ – Russland, Ukraine, Belarus und Moldova – anbot. In Zusammenarbeit mit Staat und Armee beteiligte sich die Kirchenleitung an der Entfaltung einer zivilen „Religion des Sieges“.

Kristina Stoeckl: Vertane Chance: Der Weg der Russischen Orthodoxen Kirche zur Nationalkirche
Repression, Kollaboration, Dissidenz und Emigration waren prägende Erfahrungen der Russischen Orthodoxen Kirche während der Sowjetzeit. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR zeichnete sich die kirchliche Landschaft durch eine neue Vielstimmigkeit aus. Die jetzige Kirchenleitung verfolgt jedoch wieder sowjetische Strategien: Kollaboration mit Staatsmacht, was zu innerkirchlicher Spaltung und neuer Emigration führt.

Oleg Morozov: Komplizenschaft. Die "Kriegstheologie" des Moskauer Patriarchats
Das Moskauer Patriarchat ist einer der wichtigsten geschichtspolitischen Akteure in der russischen Öffentlichkeit. In Zusammenarbeit mit dem Kreml hat die Kirchenleitung eine Staatsideologie entworfen, deren Schlüsselelemente Nationalismus, Militarismus und Demut vor den Autoritäten sind. Diese Ideologie bereitete den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine vor und macht die Kirche mitschuldig an einem furchtbaren Verbrechen.

Ivan Petrov: Wo stehen wir heute? Der Krieg und wie Gläubige
Die Unterstützung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine seitens der Kirchenleitung der Russischen Orthodoxen Kirche hat bei einem Teil der Gläubigen Ratlosigkeit und Bestürzung ausgelöst. Viele fanden in den 1990er Jahren zur Kirche und wenden sich nun wieder ab. Die Spaltungen innerhalb der ROK werden in Zukunft vermutlich zunehmen.

Regula, Zwahlen, Natalija Zenger: Auf Tauchstation: Dissens in der Russischen Orthodoxen Kirche
Während das Moskauer Patriarchat den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine eindeutig unterstützt, hüllen sich viele Geistliche der Russischen Orthodoxen Kirche, aber auch anderer Religionsgemeinschaften in Schweigen. Das Verhältnis von Befürwortung und Ablehnung des Kriegs unter Gläubigen entspricht demjenigen der gesamten russischen Gesellschaft. Für andersdenkende Geistliche und Laien bleibt vor allem in der orthodoxen Kirche wenig Raum für Anti-Kriegs-Äußerungen.

Regina Elsner: Woher dieser Hass? Russlands Krieg um die "natürliche Ordnung"
Die Rechtfertigung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine durch Patriarch Kirill als „Verteidigung gegen Gay-Pride-Paraden“ weist eine lange ideologische Vorgeschichte auf. In den 1990er Jahren entstanden zwar kurzzeitig Freiräume für LGBTIQ*-Themen, doch war die Kirchenleitung bei der innenpolitischen konservativen Wende in Russland zusammen mit der Staatsführung eine maßgebliche Akteurin. Auch die Istanbul-Konvention bekämpft die Russische Orthodoxe Kirche.

Reinhard Flogaus: Ökumene im Zeitalter der Apokalypse
Der russische Patriarch Kirill rechtfertigt Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine seit dessen Beginn und positioniert sich damit klar an der Seite der Regierung. Bei anderen Kirchen sorgt diese Haltung für Irritation und Kritik, viele haben ihre bilateralen Kontakte mit der Russischen Orthodoxen Kirche auf Eis gelegt. Das Moskauer Patriarchat versucht demgegenüber Normalität in den Beziehungen zu vielen anderen orthodoxen Kirchen vorzuspielen und betont die Nähe zum Islam in Russland.

Regina Elsner: Frieden im ökumenischen Dialog mit der Russischen Orthodoxen Kirche
Zu Beginn der Teilnahme der Russischen Orthodoxen Kirche an ökumenischen Dialogen spielte die Friedensthematik unter dem Vorzeichen des Kalten Kriegs eine wichtige Rolle. Dennoch entwickelte die ROK keine eigenständige theologische Position zum Thema Frieden, das nach dem Ende der Sowjetunion denn auch aus den ökumenischen Gesprächen verschwand. Spätestens seit den 2010er Jahren und angesichts des russischen Kriegs gegen die Ukraine erst recht zeigt sich die friedensethische Leerstelle im ökumenischen Dialog mit der ROK deutlich.

Bild: Patriarch Kirill überreicht Armeegeneral Viktor Zolotov am 13. März eine Gottesmutterikone für die Hauptkirche der Rosgvardija (Foto: Oleg Varov / patriarchia.ru).