Russland: Kirchenvertreter fordern Todesstrafe für Terroristen

Ranghohe Vertreter der Russischen Orthodoxen Kirche haben sich für die Todesstrafe für Terroristen ausgesprochen.

Laut Erzpriester Vsevolod Tschaplin, dem Leiter der Synodalabteilung für die Beziehungen zwischen Kirche und Gesellschaft, sei es zwar besser, ohne Todesstrafe auszukommen, doch gebe es Situationen, in denen die Gesellschaft so sehr bedroht sei, dass sie sich auch auf diese Weise verteidigen könne: Terroristen und Hintermänner von Anschlägen sollten „einfach ohne jedes Gerichtsverfahren getötet werden“, wenn die Ermittlungsbehörden feststellen, dass „es um Leute geht, die eine gesellschaftliche Gefahr darstellen.“ Tschaplin betonte gegenüber der Nachrichtenagentur Interfax, dass aus orthodoxer Sicht nichts gegen die Todesstrafe spreche.

Auch Metropolit Ilarion (Alfejev) von Volokolamsk, der Leiter des Kirchlichen Außenamtes des Moskauer Patriarchats, äußerte sich zum Thema Terrorismus. Am 20. November sprach er vor beiden Kammern des Parlamentes – des Föderationsrats und der Duma – darüber, dass die Terrormiliz des sog. Islamischen Staates Russland den Krieg erklärt habe. Er betonte, dass es sich nicht um einen religiösen Krieg handle, da Terroristen es nicht verdienten, als Gläubige bezeichnet zu werden. Der einzige Weg mit ihnen umzugehen sei, sie „systematisch und gezielt zu vernichten“.

Metropolit Ilarion rief die Weltgemeinschaft dazu auf, sich im Kampf gegen den Terrorismus zu vereinigen, und dabei einen Schwerpunkt auf die Prävention zu legen. Besonders junge Menschen müssten vor dem Einfluss von kriminellen Ideologien geschützt werden. Er sprach sich daher auch für eine Ausweitung des schulischen Religionsunterrichts aus: „Es ist Zeit, das Verständnis der Trennung der Kirche vom Staat und der Schule von der Kirche aufzugeben, wonach Religionen nicht direkt im säkularen Bildungswesen präsent sein sollten.“ Laut Ilarion hat Europa dem Terrorismus ideologisch nichts entgegenzusetzen, deshalb sei Russland zum Anführer im Kampf gegen den Terrorismus geworden. Millionen von Menschen im Nahen Osten setzten, nachdem sie vom Westen enttäuscht wurden, ihre Hoffnung nun auf Russland, so der Metropolit.

Während auch Spitzenvertreter der russischen Muslime eine Wiedereinführung der Todesstrafe befürworteten, ist die Föderation Jüdischer Gemeinden Russlands dagegen. Auch mehrere Abgeordnete der Duma und des Föderationsrats sprachen sich für die Todesstrafe aus. Kreml-Sprecher Dmitri Peskov hingegen sagte, die Meinung von Präsident Vladimir Putin habe sich nicht geändert, die Todesstrafe würde nicht wieder eingeführt. Menschenrechtsaktivisten kritisierten die Äußerungen von Erzpriester Tschaplin und Metropolit Ilarion. Laut Ljudmila Aleksejeva, der Leiterin der Moskauer Helsinki-Gruppe und Mitglied des präsidialen Menschenrechtsrats, würde die Wiedereinführung der Todesstrafe den Austritt aus dem Europarat bedeuten. So würde Russland sich auf eine Stufe mit Staaten wie China stellen und sich von Europa lossagen.

Die Debatte um die Todesstrafe wurde von den Terroranschlägen in Paris und dem mutmaßlichen Attentat auf ein russisches Passagierflugzeug über der ägyptischen Sinai-Halbinsel mit 224 Toten ausgelöst. Nach einer Verfassungsklage der Anwältin Natalija Vysozkaja, einer langjährigen Projektpartnerin von G2W, gilt seit 1999 in Russland ein Moratorium zur Vollstreckung der Todesstrafe. 2009 verbot das Verfassungsgericht wegen internationaler Abkommen Hinrichtungen auch nach Auslaufen des Moratoriums am 1. Januar 2010. Allerdings erlaubt die russische Verfassung Hinrichtungen als „außerordentliche Strafmaßnahme für besonders schwere Straftaten gegen das Leben“.

www.interfax-religion.ru, 20. November; www.portal-credo.ru, 20. November; KNA-ÖKI, 23. November; Obzor 24. November; www.mospat.ru, 20. November 2015 – N. Z.

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