Polen: Polnisches Parlament lehnt Abtreibungsverbot klar ab
Das polnische Parlament hat am 6. Oktober mit großer Mehrheit eine Gesetzesvorlage für ein fast totales Abtreibungsverbot mit 352 gegen 58 Stimmen abgelehnt.
Noch zwei Wochen zuvor hatte das Parlament den Gesetzesvorschlag einer Bürgerinitiative in erster Lesung angenommen. Die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die im Sejm über eine absolute Mehrheit verfügt, hatte die Volksinitiative zunächst begrüßt. Trotz Stimmfreigabe hatten die anwesenden Abgeordneten der PiS in erster Lesung geschlossen für die Weiterbehandlung des Gesetzesentwurfs gestimmt. Aufgrund der Protestwelle gegen das Abtreibungsverbot änderte die PiS jedoch ihre Position, so dass in der zweiten Lesung auch eine Mehrheit ihrer Abgeordneten die Vorlage ablehnte. Dies ist insofern bemerkenswert, als die PiS noch in ihrer Oppositionszeit Bestrebungen für umfassende Abtreibungsverbote unterstützt hatte. Obwohl die PiS mehrfach betont hatte, die Vorlage sei kein eigenes Projekt, sondern eine Bürgerinitiative, markieren ihr Kurswechsel und das Scheitern der Vorlage die erste Niederlage seit ihrem Wahlsieg vor knapp einem Jahr.
Die katholische Kirche in Polen rief nach der Ablehnung der Vorlage zum Schutz ungeborener Kinder auf und kritisierte die Proteste gegen die Verschärfung des Abreibungsgesetzes. Sie hatte sich für das strikte Abtreibungsverbot engagiert (s. RGOW 5/2016, S. 5), jedoch die Bestrafung der betroffenen Frauen abgelehnt, stattdessen solle man Müttern in schwierigen Situationen helfen.
In Polen sind nun weiterhin Abtreibungen erlaubt, wenn die Gesundheit der Schwangeren gefährdet ist, die Schwangerschaft Folge einer Vergewaltigung ist oder der Fötus schwere Schädigungen aufweist. Die Gesetzesvorlage hätte Schwangerschaftsabbrüche lediglich bei akuter Gefahr für das Leben der Schwangeren zugelassen und zuwiderhandelnde Frauen und Ärzte mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft. Die Bürgerinitiative hatte nach eigenen Angaben innerhalb von drei Monaten 600 000 Unterschriften gesammelt und somit das Quorum von 100 000 Unterschriften bei weitem übertroffen. Bereits während der Unterschriftensammlung im Frühling hatten Tausende gegen das Vorhaben protestiert, nach der erfolgreichen ersten Lesung weitete sich der Protest massiv aus – nach Polizeiangaben gingen rund 100 000 Polinnen auf die Straße.
Kathpress, 23. September, 4., 6., 7. Oktober 2016. – N. Z.