Russland: Moskauer Patriarchat begrüßt neues Gesetz über "nichtkommerzielle Organisationen"
Das umstrittene Gesetz über «nichtkommerzielle Organisationen» (NKOs) ist am 13. Juli von der Staatsduma und am 18. Juli vom Föderationsrat gebilligt und inzwischen von Präsident Vladimir Putin unterzeichnet worden. Das Gesetz sieht zum einen vor, dass sich NKOs, die Gelder aus dem Ausland erhalten, innerhalb von 90 Tagen in einem neu geschaffenen Register registrieren müssen. Zum anderen müssen diese NKOs zweimal im Jahr (alle übrigen NKOs nur jährlich) eine Finanzabrechnung vorlegen und jährlich eine Steuerprüfung sowie eine externe Wirtschaftsprüfung vornehmen lassen. Bei Verletzung dieser Vorschriften drohen hohe Geldstrafen oder eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren sowie eine Schließung der NKO.
Erzpriester Tschaplin hatte bereits im Februar 2012 an einem runden Tisch über die gesetzliche Regulierung der Aktivitäten von NKOs vollständige Transparenz über die Herkunft von deren Finanzmittel gefordert. Besonders in den 1990er Jahren hätten viele ausländische Vereinigungen Projekte in Russland gefördert, «die der politischen Kultur des russischen Volkes und seinen moralischen und geistigen Bestrebungen fremd seien». Namentlich nannte er das Jugendstrafrecht, sexuelle Aufklärung, die Propaganda sexueller Perversionen und «uns fremde politische Ideologeme».
Positiv zum Gesetz äußerte sich auch die Universale Russische Volksversammlung, eine NKO, deren Vorsitz der Moskauer Patriarch innehat. Sie forderte die russischen NKOs auf, ihre finanziellen Mittel vermehrt im Inland zu suchen. Zu den Befürwortern gehören auch der Rat der orthodoxen Jugendorganisationen, der im Gesetz einen schon lange benötigten Schutz gegen westliche und östliche Sekten sieht, sowie die Vorsitzenden der Union Orthodoxer Bürger (Valentin Lebedev), der Orthodoxen Experten- Assoziation (Kirill Frolov) und der Leiter der Bewegung für ein kinderreiches Russland, Andrej Kormuchin. Letztere forderten den Bau einer Kirche bei der Staatsduma als Symbol für die soziale Partnerschaft von Kirche, Gesellschaft und Staat in Russland.
In der russischen Öffentlichkeit war der Gesetzesentwurf kontrovers diskutiert und von Bürgerrechtlern heftig kritisiert worden, vor allem vom Vorsitzenden des Präsidentialrats für Menschenrechte, Michail Fedotov, von der Moskauer HelNachsinki Gruppe und der Organisation Memorial. Präsident Putin hat sich bei einem Gespräch mit Bürgerrechtlern im Juli dafür ausgesprochen, dass die Bezeichnung eines «ausländischen Agenten » nicht auf legalisierte religiöse Gemeinschaften in Russland angewandt werden solle: «Wir dürfen nicht erlauben, dass ein solches Gesetz unseren traditionellen Religionen Restriktionen auferlegt, und insgesamt auch nicht auf erlaubte Religionen angewandt wird.» In der von Putin unterzeichneten Gesetzesfassungen zählen schließlich folgende Aktivitäten nicht zur politischen Tätigkeit: Aktivitäten in Bereichen wie Wissenschaft, Kultur, Kunst, Gesundheitswesen, Soziales, Schutz von Mutter und Kind, soziale Hilfe für Schwerbehinderte, Propaganda der gesunden Lebensweise, Sport, Pflanzen- und Tierschutz, Wohltätigkeit und Tätigkeit von Volontären. Einzelne Gesetzesbestimmungen werden auf religiöse Organisationen, Staatskonzerne, Staatsunternehmen und die von ihnen gegründeten Nichtregierungsorganisationen, Staatsund Munizipaleinrichtungen sowie Industrie- und Handelskammern nicht angewandt.
Russland-Analysen Nr. 242, 13. Juli; Ria Novosti, 21. Juli; Interfax-religion.com, 3. Februar, 6., 9., 11. Juli 2012 – R. Z.