Russland: Erzpriester Vsevolod Tschaplin zur Zivilgesellschaft

Erzpriester Vsevolod Tschaplin, der Leiter der Synodalabteilung für die Beziehungen zwischen Kirche und Gesellschaft, hat sich an einer Pressekonferenz über die diesjährigen Projekte des „Weltweiten Russischen Volkskonzils“ für eine Zivilgesellschaft entsprechend dem russischen Nationalbewusstsein ausgesprochen. Denn das Kopieren fremder Ideologien habe lediglich zur Revolution „von 1917 geführt […], und in den 1990er Jahren einen massiven Einschnitt in der Entwicklung Russlands bedeutet.“ Das von der Russischen Orthodoxen Kirche 1993 gegründete „Weltweite Russische Volkskonzil“ gilt als größtes gesellschaftliches Forum in Russland und hat seit 2005 Beobachterstatus bei der UNO.

Laut Erzpriester Tschaplin verfügt Russland über eine eigene Kultur des Gesellschaftsaufbaus, die sich deutlich von einer Zivilgesellschaft nach westlichem Vorbild unterscheide. Letzterer wohne a priori ein Konflikt zwischen Volk und Staatsmacht, den Institutionen und den Gesellschaftsschichten inne. Die Idee der Zivilgesellschaft sei zutiefst antichristlich und widerspreche dem „Selbstbewusstsein unseres Volkes, wie es von Christentum, Islam und anderen traditionellen Religionen“ geprägt worden sei. Der Natur des russischen Bewusstseins entsprechen gemäß Tschaplin vielmehr „Vorstellungen von der Gesellschaft als einer Familie, in der Konflikte widernatürlich“ seien. In ihr und mit ihr existiere die Staatsmacht „organisch, als Teil der Gesellschaft“.

Bereits am 8. November hatte Erzpriester Tschaplin in einem Vortrag zum „1150. Jahrestag der russischen Staatlichkeit: Lehren aus der Geschichte und dem Verhältnis zwischen Volk und Staatsmacht“ dargelegt, wie der ideale Staat „nach orthodoxer Tradition und Weltanschauung“ aussehen müsse: Ein Orthodoxer strebe „in Gedanken und Taten zum Reich Gottes“, wolle „Bürger des Himmels“ werden, so Tschaplin. Obgleich dieses Reich auf Erden unerreichbar sei, strebe er in all seinem Tun danach, damit das irdische Leben so weit wie möglich ein Abbild des Reiches Gottes werde. Dieses Reich sei hierarchisch und impliziere die Monarchie. Darin gebe es keinen „Wahrheitspluralismus“, sondern nur die Einzigartigkeit der Wahrheit und die Verurteilung der Lüge.

Ebenso verhält es sich laut Tschaplin mit einem Staat, der christlichen Idealen entspricht: Freiheit stehe darin unter Schutz, doch habe sie klare Grenzen, auch moralische. In einem Staat, in dem Christen realen politischen Einfluss gehabt hätten, habe man stets der Monarchie den Vorzug gegeben. An seiner Spitze hätten stets jene gestanden, die den Interessen des Staates und der Gesellschaft dienten und sich selbst aufopferten – die Krieger und jene, die Leben und Arbeit vereinten. Ein solcher Staat habe ein eigenes spirituelles und moralisches Gesicht, eine hohe Mission: Er arbeite „symphonisch mit der Kirche zusammen und versteht sogar den Unterschied der Naturen, Ziele und Grenzen der geistlichen und der weltlichen Macht. Er ist in der Lage, das Böse beim Namen zu nennen und ihm fest zu widerstehen. […] Ich bin froh, bezeugen zu können, dass unser russischer Staat immer mehr zu einem solchen Staat wird. Auch wenn alle russischen und ausländischen Eliten gegen ihn anrennen und hysterisch tun. Diese Drohgebärden sagen uns: Wir siegen, wir sind stärker, und wir sind auf dem richtigen Weg.“

www.religare.ru, 9. Januar 2013; www.pravmir.ru, 8. November 2012 – O.S.

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