Medien in Kosovo: Politische Einflussnahme und Drohungen
Serbeze Haxhiaj
Die Medien in Kosovo sind vielfältiger Einflussnahme von politischen Gruppen, Behörden und Unternehmen ausgesetzt und leiden unter Finanzierungsproblemen. Schwierige Arbeitsbedingungen, zu denen im schlimmsten Fall auch Drohungen und Gewalt gehören, erschweren die Arbeit von Journalisten zusätzlich. Doch auch die Online-Medien, die häufig unprofessionell arbeiten, trifft eine Mitverantwortung. – N. Z.
Mit einer sehr geringen Zirkulation von Printmedien, finanziellen Schwierigkeiten bei Fernsehsendern und einer boomenden Industrie von Online-Newsportalen steht der Medienmarkt Kosovos am Scheideweg. In seinem Jahresbericht hat Freedom House Kosovo als „teilweise freies“ Land eingestuft, in dem die Regierung und Unternehmen einen unzulässigen Einfluss auf die redaktionelle Arbeit von Medien ausüben. Obwohl Kosovo ein kleines Land ist, gibt es fünf Tageszeitungen, drei nationale Fernsehsender, mehr als 80 Kabelsender und über 100 Online-Newsportale, deren Überleben hauptsächlich von Einkünften aus öffentlichen Institutionen und einer Handvoll sog. Big Business-Unternehmen abhängt.
Die Verfassung und der Gesetzesrahmen bieten die wichtigsten Schutzmaßnahmen für die Medien und Meinungsfreiheit, doch deren Umsetzung ist schwach, wie der jüngste Bericht der Journalistenvereinigung Kosovos (AJK) über das Niveau der Medienfreiheit und die Sicherheit von Journalisten vom Dezember 2018 festhält.
Medien spiegeln die Instabilität
Im August 2017 kam die South East Europe Media Organisation (SEEMO) mit Sitz in Wien in einem Bericht zum Schluss, dass albanisch- und serbisch-sprachige Medien die Spaltung zwischen Prishtina und Belgrad in Bezug auf den ungelösten politischen Status Kosovos widerspiegeln. „Die Medien haben nicht zur Versöhnung zwischen Albanern und Serben beigetragen: mit einigen Ausnahmen behandeln sie parallele Angelegenheiten paralleler Gesellschaften“, heißt es in dem Bericht.
Petrit Çollaku, Geschäftsführer der AJK, sagt, dass der Journalismus in Kosovo hauptsächlich wegen der schlechten Arbeitsbedingungen herausgefordert sei, wobei die Polizei und Justizinstitutionen in letzter Zeit einige Mechanismen zum Schutz von Journalisten eingerichtet haben. Dazu gehören Koordinatoren in den entsprechenden Institutionen, die Fälle priorisieren, wenn Journalisten angegriffen, bedroht oder eingeschüchtert werden. „Aber trotz einiger Gerichtsfälle bleibt das Justizsystem in Kosovo zerbrechlich“, sagt Çollaku und fügt hinzu, dass im Dezember 2018 im Fall einer Drohung gegen einen Journalisten lediglich eine Buße von 200 Euro verhängt worden sei. 2018 hat die AJK 16 Fälle von Drohungen registriert, alle in Zusammenhang mit der Arbeit von Journalisten. Die meisten Drohungen kamen von Behördenvertretern, darunter auch Bürgermeister.
Die letzten zwei Jahrzehnte waren für Journalisten in Kosovo schrecklich. 15 albanische und serbische Journalisten wurden umgebracht oder verschwanden während der kriegerischen Auseinandersetzungen und danach zwischen August 1998 und Mai 2005. Keiner dieser Fälle wurde bisher aufgeklärt. Im Mai 2018 hat die OSZE-Mission in Kosovo die zuständigen Institutionen aufgefordert, ihre Bemühungen zu verstärken, um die Wahrheit hinter den Entführungen, Morden und dem Verschwinden von Journalisten im Zusammenhang mit dem Krieg 1999 aufzudecken.
Die Medienrechtsexpertin Flutura Kusari sagt, dass die seltenen Sanktionen gegen Täter kaum einen Effekt auf den Schutz von Journalisten vor anderen Bedrohungen haben werden. „In vielen Fällen von Drohungen und physischer Gewalt gegen Journalisten fehlen auch effektive Untersuchungen“, fügt Kusari hinzu. Die Strafverfolgungsorgane und die Polizei in Kosovo seien „nicht darauf vorbereitet, Fälle zu behandeln, die Journalisten, Whistleblower und die Meinungsfreiheit betreffen.“ Letztes Jahr hat das kosovarische Parlament zwar ein Gesetz zum Schutz von Whistleblowern verabschiedet, das laut Kusari eines der fortschrittlichsten in Europa ist. Aber wie bei vielen Gesetzen in Kosovo stellt sich die Frage nach der Implementierung. „Da es erst gerade in Kraft getreten ist, bleibt abzuwarten, wie es von privaten und öffentlichen Institutionen umgesetzt werden wird“, so Kusari.
Die Vorgeschichte der kosovarischen Institutionen in Bezug auf Offenheit gegenüber der Öffentlichkeit ist jedenfalls entmutigend. So hält die Regierung zwei Autobahnverträge mit einem türkisch-amerikanischen Konsortium über angeblich mehr als eine Mia. Euro strikt geheim. Die Durchsetzung des Gesetzes über Zugang zu öffentlichen Dokumenten ist ebenfalls mangelhaft. In ihrem Fortschrittsbericht zu Kosovo hat die Europäische Kommission betont, dass der Zugang zu öffentlichen Dokumenten noch immer ein Problem ist. Das Gesetz wird momentan überarbeitet und Flutura Kusari ist optimistisch, dass Kosovo danach eine bessere Regelung haben wird. Aber sie hält deren Umsetzung für problematisch, weil es in der Regierung „keinen politischen Willen gibt, Zugang zu öffentlichen Informationen zu gewähren, insbesondere zu Millionenverträgen“; zudem gibt es kein nationales Überwachungssystem für die Implementierung.
Vor drei Jahren hat das Balkan Investigative Reporting Network(BIRN) einen Gerichtsfall gegen das Büro des Ministerpräsidenten gewonnen, bei dem es um die Weigerung, Restaurantrechnungen des Ministerpräsidenten und seiner Stellvertreter offenzulegen, ging. Als diese im Sommer 2018 veröffentlicht wurden, zeigten die Rechnungen, dass der Ministerpräsident und sein Team öffentliche Gelder unter anderem für teure Weine ausgegeben hatten. „Die gute Nachricht ist, dass in den letzten fünf Jahren Gerichte fünf Urteile gefällt haben, von denen die meisten zugunsten der Öffnung von Institutionen ausfielen. Diese symbolisieren ermutigende Siege für Journalisten und Vertreter der Zivilgesellschaft, die den Zugang zu öffentlichen Informationen nutzen“, erklärt Kusari.
Öffentlicher Rundfunk am Scheideweg
Der einzige öffentlich-rechtliche Sender des Landes, Radio Televizioni i Kosovës(RTK), wird weiterhin direkt aus dem Staatshaushalt finanziert, und das Fehlen eines eigenen Gesetzes hat ihn noch abhängiger von der Gnade der Regierung gemacht. „Das hat den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zutiefst von Politik abhängig gemacht, und wir können sehen, dass eine kritische Berichterstattung über die Regierung, das Parlament und den Präsidenten fehlt“, so Çollaku. Ein während Jahren erarbeiteter Gesetzesentwurf über den Sender soll dieses Jahr vom Parlament begutachtet und verabschiedet werden. Aber Çollaku befürchtet, dass das Gesetz kaum etwas ändern wird. Er sehe bereits „klare Positionen politischer Interessen, die ihren Einfluss aufrechterhalten wollen.“
Neben vielen anderen ungelösten Fragen sind die Finanzierung und die Eigentumsverhältnisse die größten Herausforderungen für den Sender. Das neue Gesetz sieht eine gemischte Finanzierung durch die Stromrechnungen der Haushalte sowie einen kleinen Anteil aus dem Staatshaushalt vor, der für „wichtige Projekte“ benutzt werden soll. „Es wird schwierig, die extreme Politisierung des öffentlichen Rundfunks, die unkontrollierten Anstellungen und den Nepotismus zu eliminieren“, erklärt Çollaku. Arta Berisha, Dozentin an der Journalismus-Fakultät, denkt, dass die Politik im Sender bereits Wurzeln geschlagen hat: „Die politischen Gruppen, die an der Macht sind, nehmen den meisten Raum beim öffentlichen Rundfunk ein und genießen im Vergleich zu den Oppositionsparteien eine positive Berichterstattung.“
Kampf ums Überleben
Çollaku denkt, dass sich die schwache Wirtschaft des Landes auch auf die finanzielle Stabilität der Medien auswirkt, weil diese völlig von Werbung und einem zerbrechlichen Wettbewerb abhängig sind. „Es gibt Klagen, dass wenn Journalisten zu Themen recherchieren, die die Interessen von Werbekunden betreffen, diese Themen abgesägt werden. Journalisten wissen im Voraus, was sie an Redaktionstreffen vorschlagen sollten, und in einigen Fällen entscheiden die Redakteure, auf welchen Blickwinkel die Geschichte sich konzentrieren sollte“, fügt er hinzu. Deshalb ist es einfach, die politischen Verbindungen von Newsportalen zu erkennen und welche Geschäftsinteressen sie schützen. Die AJK hat bemerkt, dass die Praxis staatlicher Werbung in den Medien selektiv, intransparent und nicht vollständig zu rechtfertigen ist, da Institutionsbanner auf einigen Portalen keine bestimmte Aktivität von Ministerien zeigen.
Jeton Mehmeti, Autor des Abschnitts über Kosovo im IREX-Jahresbericht über die Nachhaltigkeit von Medien, sagt, er habe über die Jahre eine Intensivierung des Einflusses der Regierungsparteien auf die öffentlichen Medien beobachtet. „Solange öffentliche Medien direkt aus dem Staatshaushalt finanziert werden, ist ihre institutionelle und redaktionelle Unabhängigkeit in Gefahr. Dies trägt auch zu Selbstzensur bei, da öffentliche Medien selten investigative Berichte veröffentlichen, die Politiker an der Macht betreffen, aus Angst, den Ast abzusägen, auf dem sie sitzen“, so Mehmeti. „Zensur oder eher Selbstzensur ist auch außerhalb der öffentlichen Medien offensichtlich. Jobunsicherheit, tiefe Löhne und mangelnde Umsetzung von Arbeitsrechten macht Journalisten für die Politik von Medienbesitzern verwundbar, die manchmal Parteilichkeit für bestimmte Unternehmen oder politische Eliten beinhaltet“, fügt er hinzu.
Monatelang hat Arta Berisha eine riesige Menge Fake News im Feed ihrer sozialen Medien beobachtet. In einer Serie von Artikeln mit dem Titel „The Truth Online“ über dieses Phänomen stellte Berisha fest, dass Politiker die Hauptquelle von Fake News sind. Als Ergebnis ihrer Untersuchung hat sie letzten Monat eine Ausstellung mit einer Sammlung von Newsportal-Artikeln mit Fake News eröffnet. „Politiker machen Versprechungen und diese werden der Öffentlichkeit als News aufgetischt, aber letztendlich sind sie nichts anderes als Lügen“, sagt Arta Berisha. Ihrer Meinung nach tragen auch die Newsportale Schuld, weil sie News ohne jegliche Überprüfung publizieren.
Die schnelle Entwicklung der sozialen Netzwerke hat sich in Kosovo stark ausgewirkt, und Politiker sind die Hauptbegünstigten dieses Phänomens. „Das größte Problem ist, dass Fake News meistens nicht aus dem Netz entfernt werden, und es keine Praxis der öffentlichen Richtigstellung von ungenauen Meldungen gibt“, sagt Berisha. Freedom Housebemerkte in seinem Bericht von 2018 über Kosovo, dass Zweifel in Bezug auf die Professionalität und tatsächliche Unabhängigkeit von Online-Medien bestehen, die „zunehmend zur Hauptinformationsquelle für Kosovaren werden und sich oft an keine angemessenen Überprüfungsprozesse vor der Publikation halten.“
Übersetzung aus dem Englischen: Natalija Zenger.
Serbeze Haxhiaj, Redakteurin beim öffentlich-rechtlichen Sender RTK in Kosovo und Journalistin des Balkan Investigative Reporting Network (BIRN).