Orthodoxie in Russland

Patriarch Kirill und Präsident Putin zelebrieren immer wieder die Nähe von Kirche und Staat in Russland. Welche Rolle spielt die Russische Orthodoxe Kirche heute im öffentlichen Leben? Wie gestaltet sich das Gemeideleben und die kirchliche Jugendarbeit? Und wie geht die Kirche mit den Herausforderungen der Moderne um? Antworten in 12 Beiträgen zu CHF 14.-/€ 12.-.

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Gerd Stricker: Orthodoxe Kirche und russischer Staat
Die Russische Orthodoxe Kirche im post-sowjetischen Russland erweckt oftmals den Eindruck, Staatskirche zu sein, beispielsweise wenn Patriarch und Präsident medienwirksam gemeinsam auftreten. Vor diesem Hintergrund und angesichts der komplexen Beziehungsgeschichte zwischen der Orthodoxen Kirche und den unterschiedlichen russischen Staatswesen seit dem 18. Jahrhundert geht der Autor der Frage nach, inwieweit sich die Russische Orthodoxe Kirche wieder auf dem Weg zu einer Staatskirche befindet.

Kristina Stoeckl: Politikkoordination zwischen Kirche und Staat in Russland
Im Verhältnis zwischen Kirche und Staat in Russland ist eine neue Phase eingetreten, die sich – wenn auch aus unterschiedlichen Motiven – durch eine enge Politikkoordination in Fragen der Sozial- und Sicherheitspolitik auszeichnet. Laut Umfragen stehen jedoch viele Gläubige der Politisierung der Kirche kritisch gegenüber und stellen in Frage, ob der „Machtpragmatismus“ des Moskauer Patriarchats zu der gewünschten moralischen Erneuerung führt.

Thomas Bremer: Der Fall „Pussy Riot“ und die Russische Orthodoxe Kirche
Die Reaktionen der Russischen Orthodoxen Kirche auf den Fall „Pussy Riot“ waren von klarer Ablehnung der Aktion geprägt. Die Kirche nahm die Aktion als weiteres Beispiel für die Verfolgung der Kirche wahr. Daraus ergibt sich der Anspruch der Kirche an den Staat, sie zu schützen. Im Hintergrund steht ein vormodernes Verständnis von gesellschaftlicher Einheit und Vielfalt, das so kaum zukunftsfähig ist.

Alena Alshanskaya: Die Russische Orthodoxe Kirche und die europäischen Institutionen
Die Russische Orthodoxe Kirche hat in den letzten Jahren mit einer Reihe von Stellungnahmen auf den europäischen Integrationsprozess reagiert. Zudem hat die Kirche in Brüssel und in Straßburg eigene Vertretungen gegründet, um durch Lobbyarbeit auf die Entscheidungen der europäischen Institutionen einwirken zu können. Zentrales kirchliches Anliegen ist es dabei, das christliche Erbe Europas zu bewahren.

Vladimir Chulap: Theologische Ausbildung in Russland heute
In den vergangenen drei Jahrzehnten haben sich die Möglichkeiten, in Russland Theologie zu studieren, wesentlich verbessert und diversifiziert. Auf die Priesterausbildung ausgerichtete Institutionen sowie kirchliche und staatliche Hochschulen bieten das Fach Theologie an. Doch der lange Weg des Ringens kirchlicher Bildungsinstitutionen um staatliche Anerkennung ist noch nicht zu Ende

Sergej Tschapnin: Gemeindeleben in der Russischen Orthodoxen Kirche
Auf die „kirchliche Wiedergeburt“ der 1990er Jahre war der russisch-orthodoxe Klerus nicht vorbereitet. Trotz legendärer Massentaufen nehmen heute nur wenige orthodoxe Gläubige aktiv am Gemeindeleben teil. Seit 2009 konzentriert sich die Leitung der ROK auf die Festigung der kirchlich-staatlichen Beziehungen, während viele Anliegen der orthodoxen Gemeinden weiterhin ungeklärt sind. Dazu zählen die Gliederung der Gemeinden, die Rolle des Bischofs, die Stellung der Priester und die Beteiligung der Laien.

Ekaterina Ufimceva: Jugendarbeit in der Russischen Orthodoxen Kirche
Nach der Wende haben sich in Russland orthodoxe Jugendbewegungen formiert, die sich mittlerweile in ein gesamtkirchliches System einfügen, das von der Synodalabteilung für Jugendangelegenheiten der ROK koordiniert wird. Sowohl landesweit wie auch auf Ebene der Eparchien und Gemeinden finden zahlreiche Kongresse, Lager und Anlässe für Jugendliche statt, die der „Verkirchlichung“, der Annahme eines orthodoxen Lebensstils und der Einbindung Jugendlicher in das Gemeindeleben dienen.

Anatolij Tschernjaev: Ökologie in der Russischen Orthodoxen Kirche
Die Russische Orthodoxe Kirche beschäftigt sich seit den 1990er Jahren intensiver mit der Umweltproblematik. Als ökologisches Ideal wurden dabei die Praxis der Klosterwirtschaft und die traditionelle russische Landwirtschaft beschworen. Gegenwärtig gehen kirchliche Initiativen Hand in Hand mit staatlichen Versuchen, unabhängige Umweltschutzorganisationen zu verdrängen und den inländischen Umweltschutz-Diskurs auf der Basis „nationaler geistiger Werte“ als Abwehr gegen internationale ökologische Kontrollmechanismen zu gestalten.

Regula Zwahlen: Die Russische Orthodoxe Kirche und Tschernobyl
Bei Tschernobyl-Gedenkfeiern appelliert die Russische Orthodoxe Kirche an die Verantwortung der Menschen für technologische Entwicklungen. Wie schon zu Sowjetzeiten präsentiert sich die Kirche aber nicht als Gegnerin der Kerntechnik, da diese der Wirtschaftsentwicklung und der Staatssicherheit diene. Den neu entstandenen Tschernobyl-Ikonen wird von orthodoxen Gläubigen heilende Wirkung für Mensch und Natur zugesprochen.

Margarete Zimmermann: Katastrophe und Wiedergeburt. Erinnerung 1917/18 in der ROK
Der heutige Erinnerungsdiskurs der Russischen Orthodoxen Kirche an die Revolution(en) von 1917 ist ambivalent: Einerseits gilt 1917 als Beginn einer unheilvollen Entwicklung, wobei der Fokus der Verantwortung von den Bolschewiken zu der „liberalen Intelligenzija“ der Februarrevolution verlagert wird. Andererseits wird die Wiederherstellung des Patriarchats im Herbst 1917 als Voraussetzung für den gegenwärtigen ebenbürtigen Dialog zwischen Kirche und Staatsmacht gefeiert.

Regina Elsner: Mit Gottes Hilfe - Die Russische Orthodoxe Kirche und der Sport
Sport wird von der Russischen Orthodoxen Kirche als wichtiger Aspekt eines gesunden Lebensstils begrüßt. In den letzten Jahren hat die Kirche ihr pastorales Engagement unter den Sportlerinnen und Sportlern ausgebaut. Sportliche Wettkämpfe gelten auch als Ausdruck eines gesunden Patriotismus. Angesichts der Dopingvorwürfe gegenüber Russland nimmt die Kirche jedoch immer mehr die Position des Staates ein und versteht den Sport als Teil des Kampfes der Zivilisationen.

Ulla Pape: Russlands Aids-Epidemie und die Russische Orthodoxe Kirche
Die Russische Orthodoxe spielt eine ambivalente Rolle bei der Bekämpfung der AIDS-Epidemie in Russland. Einerseits trägt sie mit ihrer Sozialarbeit zur praktischen Bekämpfung der Krankheit bei, andererseits widersetzt sie sich Präventionsprogrammen und Sexualkundeunterricht an den Schulen. In Zukunft muss mit einem weiteren Anstieg der HIV-Infektionen in Russland gerechnet werden. 

 

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