Orthodoxie und Ökumene
Im 20. Jahrhundert haben sich die ökumenischen Beziehungen zwischen den orthodoxen und westlichen Kirchen auf vielen Ebenen intensiviert. Was sind die heutigen Problemlagen und Herausforderungen im ökumenischen Dialog zwischen Ost und West? Hinweise in neun Beiträgen zu CHF 12.-/€ 10.-.
Dagmar Heller: Divergenzen und Perspektiven im Dialog zwischen Orthodoxie und Protestantismus
Zwischen den orthodoxen und evangelischen Kirchen hat sich im 20. Jahrhundert ein lebhafter ökumenischer Dialog entwickelt, der auf unterschiedlichen Ebenen stattfindet. In den letzten Jahren kam es allerdings immer wieder zu Irritationen zwischen beiden Seiten, die sich an ekklesiologischen und moralisch-ethischen Grundsatzfragen entzündeten. Die Autorin zeigt die vielfältigen Problemlagen auf und weist auf mögliche Perspektiven im orthodox-evangelischen Dialog hin.
Reinhart Thöle: Warum es sich lohnt, sich mit der Orthodoxie auseinanderzusetzen
Trotz zahlreicher theologischer Dialoge zwischen den Kirchen kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Ergebnisse der Dialogrunden in den jeweiligen Kirchen kaum rezipiert worden sind. In seiner persönlichen Betrachtung führt der Autor Gründe an, wie im Gespräch mit der Orthodoxie neue Perspektiven für die Ökumene gewonnen werden könnten. Der Orthodoxie könnte gar eine fundamentalökumenische Leitfunktion zufallen, da sie idealtypisch an der Einheit von Schrift, Tradition und Liturgie festhält.
Evgeny Pilipenko: Herausforderungen der Ökumene aus orthodoxer Perspektive
Aus orthodoxer Perspektive sind hinsichtlich der gegenwärtigen Herausforderungen an die Ökumene vor allem eine Rezeption des modernen theologischen Denkens und ökumenischer Ansätze in der Orthodoxie dringlich und notwendig. In der Frage möglicher Einheitsmodelle lehnt Pilipenko eine ausschließliche (Rück-)Orientierung an «urchristlichen» oder innertrinitarischen Einheitsvorstellungen ab und plädiert stattdessen für ein Zusammenwirken von gottmenschlichem und zwischenmenschlichem Tun.
Johannes Oeldemann: Brüderliche Begegnung. Zum „Ökumene-Gipfel“ auf Kuba
Die historische Begegnung von Papst Franziskus und dem russischen Patriarch Kirill am 12. Februar 2016 auf Kuba ist ein Meilenstein der Ökumene. In der 30 Punkte umfassenden Gemeinsamen Erklärung konstatieren beide Kirchenoberhäupter, dass zwischen Orthodoxen und Katholiken zwar weiterhin zahlreiche Hindernisse bestehen, zugleich bekennen sie sich aber zur ökumenischen Zusammenarbeit. Die folgenden beiden Texte und Rundschau-Meldungen nehmen das Treffen und die Reaktionen auf die Begegnung von Papst und Patriarch in den Blick.
Xenia Loutchenko: Papst und Patriarch – Kirills heikle Mission
Mit dem Treffen mit Papst Franziskus ging für Patriarch Kirill ein Wunsch in Erfüllung, den schon sein Lehrer Metropolit Nikodim gehegt hatte. Damit erleichtert er bestehende ökumenische Kooperationen in Russland, riskiert aber auch den Konflikt mit dem konservativen Flügel der Russischen Orthodoxen Kirche. Die pastorale Erklärung der beiden Kirchenoberhäupter überrascht sowohl inhaltlich als auch formell.
Georgios Vlantis: Vielfalt unterwegs zur Einheit – Orthodoxie und Ökumene
Die orthodoxen Migrationsgemeinden stehen in der Ökumene vor ganz anderen Herausforderungen als die Kirchen in ihren jeweiligen Herkunftsländern. Ihre Erfahrungen im ökumenischen Gespräch könnten jedoch den Mutterkirchen Vorbild sein. In Deutschland sind die Orthodoxen in vielfältigen ökumenischen Kontexten präsent. Bleibende Aufgaben sind die Auseinandersetzung mit der Moderne sowie die Bewahrung der keineswegs selbstverständlichen orthodoxen Einheit.
Vasilios N. Makrides: Pro- und antiökumenische Richtungen in der griechisch-orthodoxen Welt
Die Kirchen der griechisch-orthodoxen Welt sind seit Beginn der ökumenischen Bewegung mehrheitlich stark in diese involviert. Die orthodoxen Kirchen slawischer Prägung, die sich lange hinter dem Eisernen Vorhang befanden, verhielten sich hingegen zurückhaltender. Nach der Wende nahmen diverse Formen eines orthodoxen, anti-ökumenischen Rigorismus international zu. Der neue „konservative Ökumenismus“, der auf der Basis „traditioneller Werte“ interkonfessionelle und interreligiöse Allianzen zu schmieden versucht, stößt in der griechisch-orthodoxen Welt jedoch auf wenig Resonanz.
Andriy Mykhaleyko: Die katholischen Ostkirchen im ökumenischen Dialog
Die unierten Kirchen gelten häufig als „Stolperstein“ in den ökumenischen Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und den orthodoxen Kirchen. Mit der Wiederzulassung der unierten Kirchen in Mittel- und Osteuropa nach der politischen Wende kam es zu zahlreichen Konflikten, die sich auch auf den ökumenischen Dialog auswirkten. Um sie als Dialogpartner besser einzubinden, schlägt der Autor vor, dass die katholischen Ostkirchen eine eigenständige ökumenische Theologie entwickeln und sich als Brücke zwischen Ost und West begreifen.
Boris Knorre: Die anti-ökumenische Rhetorik orthodoxer Fundamentalisten
In fundamentalistischen orthodoxen Kreisen ist eine ablehnende Haltung gegenüber der Ökumene nichts Neues. Neu ist hingegen die Verknüpfung anti-ökumenischer Rhetorik mit politischen Argumenten im Sinne einer geistigen Verteidigung Russlands. Zudem äußern Vertreter der „Volkskirche“ ihre Kritik an den ökumenischen Kontakten des Moskauer Patriarchats vor allem als Kritik an der Zentralisierung der Kirchenmacht.