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Antrittsbesuch von Patriarch Kirill I. im Phanar

20. August 2009

Der neue Patriarch der Russischen Orthodoxen Kirche, Kirill I., hofft auf eine «Erneuerung der brüderlichen Beziehungen» und auf einen «fruchtbringenden Neuanfang» zwischen den Patriarchaten von Moskau und Konstantinopel. Dies betonte er bei seinem Antrittsbesuch im Phanar, dem Sitz des Ökumenischen Patriarchen in Konstantinopel.

Gemäß orthodoxer Tradition galt Kirills erste Auslandsreise vom 4. bis 7. Juli dem Ökumenischen Patriarchen. Nach seiner Ankunft in Istanbul zelebrierte Patriarch Kirill als Erstes einen Fürbittgottesdienst in der Hl. Georg- Kathedrale im Phanar. Anschließend wurde er von Patriarch Bartholomaios und dem Hl. Synod empfangen.

In seiner Grußansprache hob Patriarch Kirill die tiefe Verbundenheit der beiden Patriarchate hervor und erinnerte an die Verdienste des Patriarchats Konstantinopel bei der Verbreitung des Christentums in Russland: «[...] Zutiefst bewegt kamen wir heute nach Konstantinopel - in die Stadt, deren Bild unauslöschlich im Herzen eines jeden orthodoxen Russen ruht. [...] Zu Beginn unserer Begegnung möchte ich Zeugnis davon ablegen, dass dieses Gefühl [der Dankbarkeit und der Ehrfurcht vor der Mutterkirche - Anm. O. S.] in der Russischen Kirche heute genau so lebendig ist. Erfüllt von diesen Empfindungen und in aufrichtiger Liebe in Christus strecken wir Ihnen brüderlich unsere offenen Arme entgegen und begrüßen Eure Heiligkeit und die Sie umgebenden hohen Hierarchen der Heiligsten Kirche von Konstantinopel. [...] Die Einheit der universalen Kirche offenbart sich in der Kommunion der Lokalkirchen, die durch das Band der Liebe verbunden sind. Wir vergessen dabei jedoch nie, dass die Russische Kirche in einer besonderen Beziehung zu dem in den geheiligten Diptychen ranghöchsten Patriarchenthron, dem von Konstantinopel, steht: Von ihm empfingen wir die Erleuchtung durch das Licht des Glaubens und die Grundlage der Weisheit des Schrifttums, den Kirchenbau und die Ikonenmalerei, den Gottesdienst und die Vielfalt der kirchlichen Ordnung. [...]»

Ohne direkt die Spannungen zwischen den Patriarchaten Konstantinopel und Moskau unter seinem Amtsvorgänger Alexij II. anzusprechen, betonte Patriarch Kirill in seiner Rede auch die eigenständige Rolle seiner Kirche aufgrund ihrer Leidenserfahrungen während der kommunistischen Sowjetzeit. Vor diesem geschichtlichen Hintergrund habe die Russische Kirche in theologischer Perspektive Themen wie menschliche Freiheit, Menschenrechte, Verhältnis von Kirche und Gesellschaft bearbeitet, die von entscheidender Bedeutung für die ganze Christenheit seien. Die Russische Kirche unterstütze ausdrücklich den Appell des Ökumenischen Patriarchen an die orthodoxen Kirchen, als einige Kirche zu handeln. Patriarch Bartholomaios beglückwünschte Patriarch Kirill zu seiner Wahl und bekundete die Bereitschaft des Ökumenischen Patriarchats zur Zusammenarbeit: «Wir sind bereit, mit Ihnen im Rahmen der kanonischen Ordnung und der seit Jahrhunderten festgeschriebenen kirchlichen Überlieferung mit offenem Herzen vor Gott zusammenzuarbeiten - nicht nur zum Wohl unserer Kirchen, sondern zum Wohle der Gesamtorthodoxie und der ganzen christlichen Welt.» Daher hoffe er, dass dieser Besuch des russischen Patriarchen «zu dem ersten in einer langen Reihe» werden möge. Denn die gegenwärtige Lage der Menschheit sei keineswegs «ungetrübt»: über die ganze Welt verbreite sich «eine geistige und moralische, finanzielle und allgemeine Krise. [...] Und die Christen? Anstatt in einem Geist und einem Herz vereint zu sein, um unsere Hoffnung zu bezeugen, werden wir von Schismen, Streit und kleinlichem Ehrgeiz erschüttert, sowohl auf gesamtchristlicher Ebene als auch - obwohl es das nicht geben dürfte - auf innerorthodoxer». Allerdings - so hob Patriarch Bartholomaios hervor - gäben die jüngsten Entwicklungen in den innerorthodoxen Beziehungen und das Treffen in Chambésy Anlass zur Hoffnung (s. in diesem Heft S. 3).

Nach seinem Treffen mit Patriarch Bartholomaios reiste Patriarch Kirill nach Ankara weiter, wo er vom türkischen Ministerpräsidenten Recep T. Erdogan und vom Chef des Staatlichen Religionsamtes (Diyanet), Ali Bardakoglu, empfangen wurde. Eines der Gesprächsthemen war die Wiedereröffnung der theologischen Hochschule auf der Insel Chalki. Patriarch Kirill würdigte die Pläne zur Wiedereröffnung als einen positiven Schritt und wichtigen Beitrag zum interreligiösen Dialog und der Förderung des Religionsfriedens. - In der Chalki-Frage hatte es Ende Juni Bewegung gegeben, nachdem der türkische Kultusminister Ertugrul Günay erklärt hatte, es werde erwogen, die Schließung der Hochschule wieder aufzuheben.

An der abschließenden Pressekonferenz hob Patriarch Kirill den konstruktiven Geist aller Gespräche hervor: Man habe alle heiklen Fragen zwischen beiden Patriarchaten angesprochen, so auch die Lage in der Ukraine. Ferner hätten er, Patriarch Bartholomaios und der türkische Minister für Tourismus darüber gesprochen, wie die seelsorgerliche Betreuung der mehreren Zehntausend Russen in der Türkei sowie der mehr als 2 Mio. russischen Touristen und Pilger gewährleistet werden könne. Die Türkei gehöre zwar zum kanonischen Territorium des Patriarchats Konstantinopel, doch habe man eine gemeinsame Sprache gefunden, zumal die türkische Regierung dem wachsenden Tourismus und den Pilgerreisen aus Russland Beachtung schenke. Die Beziehungen zwischen der Türkei und Russland müssten auch einen religiösen Faktor enthalten, wichtig sei dabei die Einbindung des christlich-islamischen Dialogs. Während seines Aufenthalts in der Türkei weihte Patriarch Kirill auch die Kirche des russischen Generalkonsulats wieder ein: Diese war 1832 auf dem damaligen Gelände der Sommerresidenz der russischen Botschaft errichtet worden, dem heutigen Generalkonsulat. Nach der Oktoberrevolution 1917 wurde sie geschlossen und bis 2006 als Heizungsraum und Lager missbraucht.

www.portal-credo.ru, 4. Juli; www.religio.ru, 6. Juli; NÖK, 23. Juli 2009 - O.S.

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