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Bosnien-Herzegowina: Interreligiöser Rat kritisiert Gesetzesentwurf zur Restitution

04. Mai 2009

Ende Februar tagte in Sarajevo der 1997 gegründete Interreligiöse Rat von Bosnien-Herzegowina zum 50. Mal. Er setzt sich aus Vertretern der vier traditionellen Glaubensgemeinschaften im Land (Islamische Gemeinschaft, Serbische Orthodoxe Kirche, römischkatholische Kirche sowie Jüdische Gemeinschaft) zusammen. Im Mittelpunkt der Beratungen stand der jüngste Entwurf zum sog. «Denationalisationsgesetz», mit dem die Restitution von während der kommunistischen Zeit konfisziertem Eigentum geregelt werden soll. Der Interreligiöse Rat übte dabei deutliche Kritik an den - aus seiner Sicht - bloß «kosmetischen Veränderungen » im Gesetzesentwurf. Einen ersten Entwurf zum «Denationalisationsgesetz» hatte eine vom Ministerrat von Bosnien-Herzegowina eingesetzte Expertengruppe erarbeitet, an die sich auch der Interreligiöse Rat bereits mehrmals mit Änderungsvorschlägen gewandt hatte. Der jüngste Entwurf zum Gesetzesvorhaben sieht nun vor, dass die Naturalrestitution grundlegendes Prinzip bei der Rückgabe von konfisziertem Eigentum sein soll. In den Fällen, in denen es ohne Probleme möglich ist, sollen also Gebäude, Grundstücke etc. an die ursprünglichen Besitzer zurückgegeben werden. Sollte eine direkte Naturalrestitution jedoch nicht möglich sein, greift das zweite Prinzip, wonach der Staat die ursprünglichen Besitzer mit gleichwertigen Immobilien und Grundstücken entschädigt, die sich in seinem Besitz befinden. Falls keine Naturalrestitution durchgeführt werden kann, sieht der Gesetzesentwurf eine finanzielle Entschädigung für die ursprünglichen Eigentümer vor - allerdings in einer Frist von bis zu 20 Jahren und zudem in Staatsobligationen, die für ein Restitutionsobjekt maximal mit 150 000 KM (Konvertible Mark; ca. 76 600 EUR) entschädigen.

Während der Interreligiöse Rat mit den ersten beiden Prinzipien zur Naturalrestitution vollkommen einverstanden ist, kritisiert er vor allem die Regelungen zur finanziellen Entschädigung: diese seien für die ursprünglichen Besitzer «unannehmbar, ja sogar beleidigend». Annehmbar sei allein eine finanzielle Entschädigung, die erstens dem aktuellen Marktwert von Restitutionsobjekten Rechnung trage und sie nicht mit einer maximalen Obergrenze von 150 000 KM taxiere und die zweitens in einer annehmbaren Zeitspanne durchgeführt werde. Auf seiner 50. Sitzung beschäftigte sich der Interreligiöse Rat auch mit der Frage der Zusammenarbeit mit den beiden Entitäten im Land, mit der serbischen Teilrepublik Republika Srpska und der Bosniakisch-kroatischen Föderation. Aus Sicht des Interreligiösen Rates ist eine staatliche Institution notwendig, die für die Anliegen der Kirchen und Glaubensgemeinschaften zuständig sei. Unterstützung durch den Rat fand eine Initiative des Justizministeriums der Föderation, die Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten einheitlich zu regeln.

Um die interreligiöse Zusammenarbeit zu stärken und das Zusammenleben der verschiedenen Gläubigen zu verbessern, hat der Interreligiöse Rat zudem entschieden, seine Arbeit auf andere Städte des Landes auszudehnen: Vor Ort sollen Vertreter der unterschiedlichen Religionsgemeinschaften ermuntert werden, zusammen zu arbeiten. Einig waren sich die Mitglieder des Interreligiösen Rates auch in ihrer Kritik am Inhalt des Schulbuches zum Fach «Kultur der Religionen», das in einigen Teilen des Landes bereits verwendet wird. Das überkonfessionelle Fach «Kultur der Religionen» war auf Veranlassung der internationalen Staatengemeinschaft eingeführt worden, um unter bosnischen Jugendlichen das Wissen über andere Religionsgemeinschaften und die interreligiöse Toleranz zu fördern; die Kirchen und Glaubensgemeinschaften hatten sich allerdings gegen die Einführung des Faches ausgesprochen, da sie darin eine Gefährdung des konfessionellen Religionsunterrichts sehen. Seine Bedenken bezüglich des neuen Schulbuchs teilte der Interreligiöse Rat auch Garry Robbins, dem Missionschef der OSZE in Bosnien- Herzegowina mit.

www.mrv.ba, 26. Februar 2008 - S.K.

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