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Bulgarien: Orthodoxe Kirchen kritisieren Urteil des Europäischen Gerichtshofs

04. Mai 2009

Unter dem Vorsitz des Oberhaupts der Bulgarischen Orthodoxen Kirche, Patriarch Maksim, fand vom 11. bis 12. März am Sitz der bulgarischen Regierung in Sofia eine Tagung von Vertretern aller orthodoxen Kirchen, der bulgarischen Regierung, des Parlaments sowie von Fachleuten für kanonisches und internationales Recht statt. Anlass der Tagung war der jüngste Entscheid des Europäischen Menschenrechtsgerichthofs in Straßburg zu dem seit der «Wende» schwelenden Kirchenstreit in der bulgarischen Orthodoxie.

Am 16. Dezember 2008 hatten die Straßburger Richter die bulgarische Regierung verurteilt, da sie mit ihrer Parteinahme zugunsten der Gruppe um Patriarch Maksim gegen die in Art. 9 der Menschenrechtskonvention festgeschriebene Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit verstoßen habe. Eingereicht hatte die Klage die oppositionelle Fraktion innerhalb der bulgarischen Orthodoxie, die ihre Grundrechte durch das neue bulgarische Religionsgesetz von 2002 sowie durch die gewaltsame Enteignung von Gotteshäusern im Juni 2004 verletzt sah (s. G2W 3/2009, S. 4). Die oppositionelle Fraktion um «Metropolit» Innokentij (Petrov) - von der Gruppe um Patriarch Maksim nur als «Spalter» und «Schismatiker» angesehen - erhielt Recht hinsichtlich ihrer Klage auf Verstoß gegen die Religionsfreiheit und auf Befangenheit des Staates. Die Straßburger Richter wiesen allerdings die Klage auf Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren sowie auf Verstoß gegen das Recht auf wirksame Beschwerde zurück - andernfalls hätten die «Spalter» mit beträchtlichen Schadensersatzzahlungen rechnen können. Das Gericht gewährte den Kontrahenten zudem drei Monate Zeit, um den Konflikt einvernehmlich beizulegen, andernfalls werde es selbst entscheiden. Bereits Ende Januar formulierte der Hl. Synod der Bulgarischen Orthodoxen Kirche unter dem Vorsitz von Patriarch Maksim ein Protestschreiben gegen den Entscheid des Menschenrechtsgerichtshofs. In diesem steht, der Hl. Synod sei «kategorisch unzufrieden» mit den «falschen, tendenziösen und einseitigen Motivationen eines Urteils, das die kanonischen und juristischen Argumente der Bulgarischen Orthodoxen Kirche sowie der Regierung der Republik Bulgarien außer acht lässt.» Die Entscheidung des Gerichtshofs verletze «die Grundrechte der orthodoxen Christen Bulgariens, denen die Einheit und Autorität der kanonischen Bulgarischen Orthodoxen Kirche am Herzen liegt.» Das vom bulgarischen Parlament 2002 verabschiedete Religionsgesetz garantiere «die Religionsfreiheit für alle» und habe dazu beigetragen, «die verhängnisvollen Folgen der Eingriffe politischer und staatlicher Verantwortlicher in die internen Angelegenheiten der Kirche in den Jahren 1992 bis 2001 zu überwinden.»

Auf der Tagung mit Vertretern aller orthodoxen Kirchen Mitte März verlas Patriarch Maksim das Protestschreiben des Hl. Synods und rief die «Schismatiker » auf, Buße zu tun und sich der kanonischen Kirche anzuschließen. Im Namen der Regierung erklärte Jemil Velinov, Leiter des Amtes für Konfessionsfragen, «die Verteidigung der Einheit und Rechte der Bulgarischen Orthodoxen Kirche bedeutet die Verteidigung der Identität des bulgarischen Volkes.» Der neue russische Patriarch Kirill (Gundjajev) betonte in einem Grußwort an die Versammlung, die Entscheidung des Straßburger Gerichts bedrohe «die Existenz der orthodoxen Staaten». Er hoffe, die bulgarische Regierung werde «der von der Gesamtorthodoxie anerkannten kanonischen Bulgarischen Kirche auch weiterhin die notwendige Hilfe erweisen». Bereits in einem früheren Schreiben an den bulgarischen Präsidenten, Georgi Parvanov, hatte Kirill erklärt, dass das Moskauer Patriarchat bereit sei, an einer offenen Diskussion zu dem Problem teilzunehmen. In einem Schreiben an Patriarch Maksim unterstrich Patriarch Krill, dass die Einmischung des Straßburger Gerichts in kirchliche Angelegenheiten sowohl die Eintracht der bulgarischen Gesellschaft, als auch das Wohl der Bulgarischen Kirche, ebenso das der anderen Kirchen und Religionsgemeinschaften bedrohe, da «eine solche Praxis in Zukunft als Präzedenzfall betrachtet werden kann».

Diesen Gedanken griff Bischof Ilarion (Alfejev) von Wien auf, der das Moskauer Patriarchat an der Tagung vertrat: Der Gerichtsentscheid setze eine Norm, die «zur Grundlage wird, um vergleichbare Beziehungen zwischen Kirche und Staat zu regeln. Diese Norm kann jede traditionelle Religionsgemeinschaft betreffen und ist nicht nur für die Orthodoxe Kirche besorgniserregend, sondern für alle traditionellen Religionsgemeinschaften. » Zum Abschluss der Tagung forderten die Vertreter aller orthodoxen Kirchen Regierung und Parlament Bulgariens dazu auf, beim Menschengerichtshof Beschwerde einzulegen. Die Bulgarische Kirche sei eine Einheit und werde es bleiben: «Die Personen, die sich außerhalb dieser Einheit stellen, können durch das Sakrament der Buße wieder aufgenommen werden».

www.bogoslov.ru, 11.-13. März; www.spc.rs, 16. März; www.religion.ng.ru, 4. März; SOP Nr. 336, März 2009 - O.S.
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