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Deutschland: Offener Brief: EKD soll Beziehungen zum Moskauer Patriarchat auf Eis legen

14. Juni 2022

Evangelische Theolog:innen, ehemalige DDR-Bürgerrechtler:innen und Intellektuelle fordern in einem offenen Brief mit Blick auf die Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) in Karlsruhe klare Zeichen gegenüber der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK) zu setzen.

Insbesondere das Oberhaupt der ROK, Patriarch Kirill, legitimiere den russischen Angriffskrieg und untermauere ihn mit religiöser Rhetorik. Der Brief, den die Kirchenhistorikerin Katharina Kunter und die evangelische Theologin Ellen Ueberschär verfasst haben, richtet sich an die Leitungsgremien der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sowie den Zentralausschuss und den Generalsekretär des ÖRK.

Die Hierarchie der ROK schaffe „mit ihrer Kriegslegitimation und der Ablehnung der individuellen, unveräußerlichen Menschenrechte eine geistige und geistliche Basis für eine autokratische Staatsmacht mit revisionistischen und diktatorischen Zügen“, heißt es in dem Schreiben. Mit dem Segen der Kirchenleitung werde „ein Angriffskrieg geführt und die Menschenrechte im eigenen Land mit Füßen getreten“. Trotz intensiver Bemühungen des ÖRK-Generalsekretärs, Ioan Sauca, sei keine Änderung der ideologischen Position des Moskauer Patriarchats zu erkennen, was an der „ökumenischen Verbindlichkeit“ der ROK zweifeln lasse.

Die Autorinnen und Unterzeichnenden beunruhigt besonders, dass die Vertreter des Moskauer Patriarchats auf der Vollversammlung des ÖRK Anfang September in Karlsruhe Kriegspropaganda verbreiten und „sich fälschlicherweise als Opfer inszenieren“ könnten. Sie fordern daher einen klaren Vorrang der Opferperspektive und ein Moratorium für jeglichen bilateralen Dialog auf kirchleitender Ebene zwischen der EKD und der ROK. Zudem solle die EKD ihre Kontakte zu den Kirchen und Religionsgemeinschaften in der Ukraine intensivieren; auf der Vollversammlung des ÖRK solle den ukrainischen Kirchen ein besonderer Platz eingeräumt werden. Außerdem solle der Zentralausschuss des ÖRK an seiner Sitzung im Juni prüfen, „wie die Mitgliedschaft der ROK im ÖRK ausgesetzt werden kann“.

Die Auslandsbischöfin der EKD, Petra Bosse-Huber, wertete die Aufforderung nach einem Ausschluss der ROK aus dem ÖRK als „Signal in die falsche Richtung“, wie sie dem Evangelischen Pressedienst (epd) mitteilte. Die Rechtfertigung des Krieges durch Patriarch Kirill sei eine „gotteslästerliche Ideologie“, was auch die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus mehrfach klar benannt habe. Mit einem Ausschluss der ROK aus dem ÖRK werde jedoch auch ein großer Teil der orthodoxen Christenheit ausgeschlossen. Bosse-Huber warnte vor einer „pauschalen Verurteilung der russischen Orthodoxie und deren Einordnung in ein uniformes Feindbild“. Es gebe eine „deutliche Mehrstimmigkeit“ innerhalb der ROK, daher unterstütze die EKD Bemühungen, Brücken des Dialogs aufrecht zu erhalten.

Zu den Erstunterzeichnern des offenen Briefes gehören die frühere Leiterin der Stasi-Unterlagenbehörde, Marianne Birthler, die DDR-Bürgerrechtler Markus Meckel und Ulrike Poppe, die Regionalbischöfin der Evangelischen Landeskirche Hannovers, Petra Bahr, sowie Manfred Sapper, Chefredakteur der Zeitschrift Osteuropa. (SK)

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