Skip to main content

Generalsekretär des ÖRK und Patriarch Kirill erörtern Spannungen in der Ökumene

19. August 2010
Im Rahmen seines Antrittsbesuchs in Russland ist der im August 2009 neu gewählte Generalsekretär des Ökumenischen Rats der Kirche (ÖRK), der norwegische Pfarrer Olav Fykse Tveit (s. G2W 10/2009, S. 3), am 28. Juni auch mit dem Oberhaupt der Russischen Orthodoxen Kirche, Patriarch Kirill, zusammengetroffen.

Der Meinungsaustausch mit dem Patriarchen habe in einer herzlichen und offenen Atmosphäre stattgefunden, erklärte Generalsekretär Tveit nach dem Treffen. Der ÖRK und die Russische Orthodoxe Kirche sähen in der Evangelisierung der Jugend eine vordingliche Aufgabe. Der jungen Generation den Glauben nahe zu bringen, sei ein gemeinsames Anliegen aller Mitglieder des Weltkirchenrats. In Anspielung auf die durch die Mitgliedschaft im ÖRK eröffneten Kontakte der Russischen Orthodoxen Kirche zum Westen während der Sowjetzeit sagte der Generalsekretär weiter: «In der Vergangenheit mag die Russische Orthodoxe Kirche den ÖRK benötigt haben.» Heute aber brauche der ÖRK die Russische Orthodoxe Kirche.

Patriarch Kirill, der selbst von 1975 bis 1998 den Leitungsgremien des Weltkirchenrats angehörte, reagierte verhalten: Seiner Ansicht stecke der ÖRK in einer «Dauerkrise», der auf den «Widerspruch zwischen dem deklarierten Streben nach christlicher Einheit und den immer tieferen Differenzen der Christen zu Fragen der Anthropologie und Moral» zurückzuführen sei. Vor allem Bestrebungen in protestantischen Kirchen, die Standards christlicher Moral zu verändern, hätten zu einer Entfremdung der Orthodoxie vom Weltkirchenrat beigetragen. Der Patriarch rief dazu auf, dass Christen ihre Traditionen bewahren und gute Kontakte zu anderen Gemeinschaften unterhalten sollten. Der ÖRK könne dabei helfen, indem er das christliche Wertesystem verteidige und den Dialog der Christen mit anderen Religionen und nichtreligiösen Weltanschauungen fördere. Gemeinsam gelte es, die christliche Tradition gegen säkulare Kräfte zu verteidigen, die der Welt antichristliche und antireligiöse Standpunkte aufzwingen wollten.

Nach dem Anrittsbesuch von Generalsekretär Tveit bei Patriarch Kirill tagte vom 30. Juni bis zum 4. Juli der Ständige Ausschuss für Zusammenarbeit und Konsens des ÖRK (s. in diesem Heft, S. 13-15) erstmals in Moskau. Dieses Gremium wurde 2002 ins Leben gerufen und hat zur Aufgabe, Spannungen zwischen Orthodoxen und Protestanten im ÖRK abzubauen. Tveit betonte dabei noch einmal, dass der ÖRK trotz aller Probleme an einer weiteren Teilnahme der Russischen Orthodoxen Kirche interessiert sei, da es für die protestantische Welt sehr wichtig sei, die Stimme der orthodoxen Kirchen zu hören. Auch Metropolit Ilarion (Alfejev), der Leiter des Kirchlichen Außenamtes der Russischen Orthodoxen Kirche, unterstrich die Wichtigkeit des ökumenischen Dialogs; er hob allerdings hervor, dass die interkonfessionellen Beziehungen überprüft und sich erneut am Erbe der Alten Kirche und deren Begriff von der christlichen Einheit ausrichten sollten. Der altchristliche Grundsatz «lex orandi lex est crendedi» sei heute weitgehend in Vergessenheit geraten, stattdessen richte sich das Augenmerk der Christen auf Faktoren, die nur indirekt mit den Zielen und Aufgaben der christlichen Verkündigung zu tun hätten. So hätten einige interkonfessionelle Organisationen die Sprache der Medien übernommen, um die Aufmerksamkeit der Gesellschaft besser auf sich zu ziehen. Die moderne Gesellschaft verstehe diese Sprache zwar völlig, so Metropolit Ilarion, doch diese Sprache würde den spezifischen Charakter der christlichen Weltsicht und deren Werte nicht artikulieren. Die Kirchen stellten sich somit gleichsam auf eine Stufe mit anderen Institutionen der Zivilgesellschaft und würden lediglich zu einem der vielen Akteure im gesellschaftspolitischen Prozess.

www.religare.ru, 29. Juni; www.portal-credo.ru, 25. Juni – 1. Juli; www.mospat,ru, 1. Juli; epd-Wochenspiegel, Nr. 27, 5. Juli 2010 – O.S.

Drucken