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Georgische Impressionen – ein halbes Jahr nach dem Georgienkrieg

04. Mai 2009

Frau Christiane Hummel, Gattin des (Wiederbe-)Gründers und Bischofs (1999-2004) der Ev.-Luth. Kirche in Georgien, ist nicht nur Leiterin der Diakonie, sondern bis zum heutigen Tage die Seele dieser Kirche mit ihren fünf Gemeinden. Die folgenden Abschnitte zur Lage in Georgien sechs Monate nach dem August-Krieg sind einem Bericht von Christiane Hummel von Februar 2009 entnommen. «Über die Ereignisse des letzten Halbjahres 2008 in Georgien, besonders über die heiße Phase des Krieges im August 2008, ist in Reportagen, Kommentaren und politischen Analysen viel geschrieben worden. Das Interesse an weiteren Informationen ist aber rasch zurückgegangen, und/oder wurde von anderen schrecklichen Ereignissen in der Welt überlagert. Hier im Lande gehen die Diskussionen über Ursachen und Anfänge der Aggression, über Schuld und Folgen des Krieges in verschiedenen politischen Gremien und in der Bevölkerung - mehr oder weniger objektiv - weiter. Vor der zuständigen Parlamentarischen Untersuchungskommission haben die befragten Verantwortlichen die Verteidigung und den Schutz der Bevölkerung als Motiv für die Militäraktion [gegen Süd-Ossetien] genannt. Die Oppositionsparteien, ohnehin bis jetzt keine starke Alternative, geben sich in der Frage nach der Kriegsschuld eher konform [mit der Regierung]. Unbequeme Fragen von Vertretern der NGOs werden ignoriert. In der Regierung werden Minister ausgetauscht; der Präsident handelt, als ob das Land einem Angriff widerstanden habe, und verspricht unvorstellbare Aufbauleistungen. Auf die Ergebnisse der EU-Untersuchungskommission darf man gespannt sein. Dass international anerkannte Menschenrechte in einem Krieg missachtet werden, ist leider alltäglich und eine traurige Tatsache. Georgier und Russen - beide Seiten haben Streubomben abgeworfen, beide Seiten haben ohne Vorwarnung zivile Einrichtungen beschossen. Milizengruppen haben von Georgiern bewohnte Siedlungen in Süd-Ossetien angegriffen und schaffen bis heute Unruhe. Aber auch unabhängig davon sind die Achtung der Menschenrechte, die Freiheit der Medien, ein glaubwürdiges Rechtssystem und die Förderung demokratischer Reformen in Georgien ständig gefährdet. Der Bericht des Ombundsmanns zu diesen Fragen vom Sommer 2008 wurde vom georgischen Parlament kurz abgetan. Begründung: Der Bericht habe angeblich auf ‹Gerüchten› beruht. Ein neues ‹Ministerium für Strafvollzug, Bewährung und Gerichtsbeistand› wird jetzt eingerichtet. Trotzdem werden wohl die Gefangenen in den überfüllten Anstalten sicher noch eine Weile auf bessere Ernährung und ausreichende medizinische Versorgung warten müssen. Regierung und unabhängige Experten streiten darüber, ob die internationale Finanzkrise auch die wirtschaftliche Situation beeinflussen wird - oder ob hausgemachte Fehlentscheidungen die Ursache für gegenwärtige Fehlentwicklungen sind. Die prognostizierte höhere Arbeitslosigkeit schiebt die Regierung natürlich gern auf die Finanzkrise. Und der Präsident verspricht ein Wirtschaftswachstum von 2,5 % im Jahre 2009 - das sei für die Lösung der wirtschaftlichen Probleme des Landes völlig ausreichend. Fachleute sehen dies nicht so optimistisch, zumal ein stabiles Fundament kleinerer und mittlerer Unternehmen fehle. Neue Arbeitsplätze werden nicht geschaffen. Großprojekte werden zu 70 % von ausländischen Firmen verwirklicht - wobei Georgier nur als Handlanger herangezogen werden. Fest steht, dass das Vertrauen ausländischer Investoren in die Sicherheit des Landes durch den Krieg erheblich gestört ist.»

Nach: Brücken bauen. Kirche und Diakonie in Georgien, Februar 2009 - G.S.

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