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Gerichtsurteil gegen katholische Wochenzeitung Gosc Niedzielny

20. Mai 2010

Die polnische Erzdiözese Katowice muss als Herausgeberin der auflagenstarken überregionalen Kirchenzeitung «Gosc Niedzielny» der Polin Alicja Tysiac eine Entschädigung in Höhe von 7500 Euro zahlen.

Dies entschied das Berufungsgericht in Katowice, an das sich die Erzdiözese gewandt hatte. Grund für die Verpflichtung zur Zahlung war die Berichterstattung der Zeitung über ein Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs, in dem Tysiac eine Entschädigung in Höhe von 25 000 Euro dafür zugesprochen worden war, dass ihr in Polen die Abtreibung ihres dritten Kindes nicht erlaubt worden war. In Folge der Geburt leidet Tysiac unter extremer Kurzsichtigkeit und wurde als schwerbehindert anerkannt; da das Risiko einer solchen Komplikation bekannt war, hatte sie das Kind abtreiben wollen.

Der «Gosc Niedzielny» ist mit rund 150 000 verkauften Exemplaren das größte meinungsbildende Wochenmagazin in Polen, noch vor den auf gesellschaftliche und politische Themen spezialisierten Titeln wie «Polityka», «Wprost» und «Newsweek Polska». In verschiedenen Artikeln hatte die Kirchenzeitung das Vorgehen der Klägerin scharf kritisiert und moralisch verurteilt. So hatte sie Tysiac als «Mutter, die ihr eigenes Kind töten will» bezeichnet, was von Kritikern als gleichbedeutend mit dem Vorwurf des Mordes ausgelegt wurde. Damit - so das Urteil des erstinstanzlichen Gerichts - habe die Zeitung die Persönlichkeitsrechte der Klägerin verletzt. Des weiteren habe sie eine «Sprache des Hasses» verwendet, für die sich die Redaktion öffentlich entschuldigen müsse. Diese machte geltend, mit dem Gang an die Öffentlichkeit habe die Klägerin von sich aus auf den Schutz ihrer Privatsphäre und insbesondere derjenigen ihrer damals 7-jährigen Tochter verzichtet; ihre Argumentation sei unmoralisch und müsse auch als solche bezeichnet werden dürfen, wenn nicht «die Redefreiheit und die Freiheit, religiöse Überzeugungen öffentlich zu bekennen,» beschnitten werden sollten. Daher erhob sie gegen das Urteil Berufung, der nun jedoch nicht stattgegeben wurde. Die Entscheidung des Berufungsgerichts wurde von Frauenorganisationen begrüßt, während der Chefredakteur der Kirchenzeitung ankündigte, eine Eingabe beim Obersten Gerichtshof Polens zu erwägen.

Der Fall von Alicja Tysiac steht nicht allein; immer wieder wird in den polnischen Medien heftig darüber diskutiert, wie restriktiv die Abtreibungspolitik gehandhabt werden darf bzw. muss, wenn schwere gesundheitliche Konsequenzen für Mutter und / oder Kind zu erwarten sind. Neu ist in diesem Fall, dass die Debatte um den Schutz des ungeborenen Lebens eine Debatte um die Meinungsund Religionsfreiheit nach sich zieht, die nach Ansicht der katholische Kirche in Gefahr sind.

goscniedzielny.wiara.pl: Artikel zur causa Tysiac der Jahre 2007 bis 2010; Kathpress, 11. März 2010 - R.C

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