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Hl. Synod der Estnischen Orthodoxen Kirche – Patriarchat Konstantinopel gegründet

04. Mai 2009

Mit der Weihe zweier neuer Bischöfe ist die Autonome Estnische Kirche - Patriarchat Konstantinopel - wieder funktionsfähig: Am 10. Januar wurde Archimandrit Eelija (Ojaperv) zum Bischof von Tartu/Dorpat und wenig später, am 12. Januar, Archimandrit Aleksander (Hopjorski) zum Bischof von Pärnu/Pernau und Saaremaa/Ösel geweiht. Die Weihe nahm das Oberhaupt der Estnischen Orthodoxen Kirche - Patriarchat Konstantinopel, Metropolit Stephanos (Charalambidis, *1940), vor; ihm konzelebrierten mehrere Bischöfe der Kirchen von Konstantinopel, Griechenland, Zypern und Finnland.

Es bedurfte mehr als eines Jahrzehnts, um geeignete estnische Kandidaten für das Bischofsamt zu finden und entsprechend auszubilden, doch schließlich konnte der Hl. Synod der Estnischen Kirche nach zwölf Jahren am 15. Januar zum ersten Mal zusammentreten: Die Sitzung fand unter dem Vorsitz von Metropolit Stefanos in der Kirche Christi Verklärung in Tallinn/ Reval nach der Liturgie statt. Als Gäste nahmen u.a. der frühere Präsident der Estnischen Republik, Arnold Rüütel, der Erzbischof der Estnischen Lutherischen Kirche, Andres Põder, und der Präsident der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK), Pastor Jean-Arnold Clermont, teil.

Am Schluss ihrer Sitzung veröffentlichte die Autonome Estnische Kirche/Patriarchat Konstantinopel ein Kommuniqué, in dem es heißt, der Hl. Synod des Ökumenischen Patriarchats habe die Weihen der Bischöfe Eelija und Aleksander bestätigt: «Die Estnische Orthodoxe Kirche hat damit die Geschäftsfähigkeit ihres Bischofssynods wiedererlangt und den Prozess der Wiederherstellung ihrer kanonischen Institutionen vollendet.» 1946 hatte das Moskauer Patriarchat die Autonome Estnische Orthodoxe Kirche in einem autoritären Akt «annektiert», die 1923 auf eigenen Wunsch in das Ökumenische Patriarchat Konstantinopel aufgenommen worden war. 1997 konnte die Autonome Estnische Orthodoxe Kirche im Rahmen des Ökumenischen Patriarchats wieder ins Leben gerufen werden. In sowjetischer Zeit hatte die Estnische Orthodoxe Kirche eine Eparchie des Moskauer Patriarchats gebildet, die weitgehend russifiziert wurde - die estnische Liturgiesprache wurde unterdrückt. Nachdem Estland 1991 die staatliche Unabhängigkeit wiedererlangt hatte, sammelten sich die orthodoxen Esten und suchten, die Beziehungen zum Patriarch Konstantinopel wieder herzustellen. In spannungsvollen Auseinandersetzungen 1995 und 1996 bildete sich - als Gegenorganisation zur Orthodoxen Kirche der Russen auf estnischem Boden - eine Orthodoxe Kirche der ethnischen Esten. Beide konkurrierenden orthodoxen Kirchen in Estland sehen sich als Rechtsnachfolgerin der alten Eparchie Estland, die zu Zarenzeiten ebenfalls der Russischen Orthodoxen Kirche zugehört hatte.

Die Orthodoxe Kirche russischer Prägung in Estland untersteht heute weiter dem Patriarchat Moskau und verfügt über eine gewisse innere Autonomie (Oberhaupt: Metropolit Kornelij [Jakobs, *1924]); die orthodoxe Kirche estnischer Prägung wurde 1997 auf ihren Wunsch als autonome in das Ökumenische Patriarchat aufgenommen, ihr Oberhaupt ist Metropolit Stephanos (s. o.). Auf kanonischer Ebene ringen die Patriarchate Konstantinopel und Moskau um eine Lösung, um die bestehenden Spannungen abzubauen. Die Gotteshäuser wurden unter der Kontrolle der Zivilbehörden in einem komplizierten Verfahren zwischen den beiden estnischen orthodoxen Kirchen aufgeteilt. Es besteht die Hoffnung, dass sich eine allmählich Normalisierung anbahnt, nachdem der verstorbene Patriarch Alexij II. von Moskau mit Metropolit Stephanos an der Liturgie zum Schluss der Synaxis der orthodoxen Kirchenoberhäupter in Konstantinopel (Oktober 2008; s. G2W 12/2008, S. 4f.) zelebriert hatte.

SOP Nr. 336, März 2009 - O.S.

Zur Geschichte der orthodoxen Kirchen in Estland

Im freien Estland - also zwischen den beiden Weltkriegen - hatte der Anteil der Orthodoxen (russische und estnische Gläubige) 19% der Gesamtbevölkerung betragen (im Juni 1940: 212 000 Personen). Die Estnische Apostolische Orthodoxe Kirche (EAOK) unterstand seit 1923 dem Ökumenischen Patriarchat Konstantinopel und war in zwei Eparchien mit 158 Gemeinden gegliedert; sie wurden von 138 Priestern und 23 Diakonen betreut; der Kirche standen drei Bischöfe vor. In der Sowjetzeit (1941 bzw. 1944 bis 1991), während welcher der freie Staat Estland als Sowjetrepublik Estland der Sowjetunion eingegliedert war, wurden die ethnischen Esten, die die Liturgie in estnischer Sprache feierten, durch massenhaften Zuzug von Russen «russifiziert » - die estnische Liturgiesprache verstummte. Die Kirche - die «EAOK» - wurde bereits 1944 zwangsweise, gleichsam mit einem Federstrich, ins Patriarchat Moskau eingegliedert; der Bischof (meist ein Metropolit) für Estland wurde vom Moskauer Hl. Synod bestimmt (übrigens hatte der Eparchie «Tallinn und Estland» von 1964 bis 1990 der verstorbene Patriarch Alexij [Graf von Rüdiger, 1929-2008] vorgestanden). Die Zahl der Russen in Estland (die natürlich nicht alle orthodoxe Gläubige waren) betrug 1989 ca. 475 000. Die Zahl der Orthodoxen in Estland beträgt schätzungsweise 150 000. Nachdem Estland die Eigenstaatlichkeit errungen hatte (1991), versuchten die orthodoxen Esten ihre nationale Kirchlichkeit und Liturgie wiederzubeleben - mit Hilfe ihrer nach dem Krieg emigrierten Glaubensgenossen. Es kam zur Spaltung der Metropolie «Tallinn und Estland» des Moskauer Patriarchats. Der größere, überwiegend russische Teil blieb bei Moskau, der kleinere, estnisch orientierte Teil unterstellte sich dem Patriarchat Konstantinopel, was zu erheblichen Spannungen zwischen beiden Patriarchaten führte. Diese bestehen nach wie vor. Heute spricht die «Estnische Apostolische Orthodoxe Kirche/EAOK» (Patriarchat Konstantinopel) von 18 000 praktizierenden Gläubigen, die nun von drei Bischöfen, 29 Priestern und acht Diakonen betreut werden; in den drei Eparchien zählt man 60 Pfarreien. - Die Estnische Orthodoxe Kirche (Patriarchat Moskau) beziffert die Zahl ihrer Gläubige mit 150 000, wobei es sich anscheinend häufiger um nominelle Orthodoxe handelt, die eher russische Patrioten denn wirklich Orthodoxe sind. Die dem Patriarchat Moskau zugehörige «Estnische Orthodoxe Kirche» besteht aus einer einzigen Metropolie mit 30 Pfarreien. Die Geistlichkeit setzt sich aus einem Metropoliten, 42 Priestern und 14 Diakonen zusammen. Die beiden Kirchen sind sprachlich nicht streng geschieden. Zwar ist die Konstantinopel zugeordnete Metropolie stärker estnischsprachig, doch gibt es hier auch nicht unerhebliche russischsprachige Anteile (so war einer der am 10. Januar 2009 geweihten neuen Bischöfe der EAOK, Eelija [Ojaperv], ein Este, der andere, Aleksander [Hopjorski], Russe. Umgekehrt gibt es in der von Russen dominierten EOK/Moskauer Patriarchat durchaus auch estnische Gruppierungen. Beide Kirchen führen Webseiten: www. orthodoxa.org (= EAOK/Patriarchat Konstantinopel); www.orthodox.ee (=EOK/ Patriarchat Moskau).

Informationen von Pater Prof. Vello Salo, Tallinn

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