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IV. Panorthodoxe Vorkonziliare Konferenz in Chambésy

20. August 2009

Unter dem Vorsitz des Metropoliten von Pergamon, Ioannis (Zizioulas), fand vom 6. bis 13. Juni 2009 im Orthodoxen Zentrum des Ökumenischen Patriarchats in Chambésy die IV. Panorthodoxe Vorkonziliare Konferenz zur Vorbereitung für das Große Panorthodoxe Konzil statt.

Die Konferenz, an der Vertreter aller 14 kanonischen orthodoxen Kirchen teilnahmen, beschloss die Einrichtung von Bischofsversammlungen zur «kanonischen Organisation der orthodoxen Diaspora», d. h. für die orthodoxen Gläubigen in den Ländern Westeuropas, in Nord- und Südamerika, in Australien, Neuseeland sowie in Fernost. Die Bischofsversammlungen setzen sich aus allen kanonischen Bischöfen der jeweiligen Region zusammen und stehen unter dem Vorsitz des jeweiligen dienstältesten Bischofs des Ökumenischen Patriarchats bzw. bei dessen Abwesenheit dem dienstältesten nächsten Hierarchen gemäß der kanonischen Ordnung. Aufgabe der Bischofsversammlungen ist es, «die Einheit der orthodoxen Kirche zu manifestieren und zu fördern, gemeinsam den seelsorgerlichen Dienst an den Gläubigen der Region zu vollziehen und vor der säkularen Welt gemeinsam Zeugnis abzulegen.» Die Entscheidungen der Bischofsversammlungen werden nach dem Konsensprinzip getroffen, wobei die administrative Kompetenz und Jurisdiktion eines jeden einzelnen Bischofs keineswegs eingeschränkt werden soll. So behält jeder Bischof für seine Eparchie das letzte Entscheidungsrecht.

Die Einigung in der strittigen Diasporafrage, die in der Vergangenheit immer wieder zu Konflikten zwischen dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel und der Russischen Orthodoxen Kirche geführt hatte, bewerteten Teilnehmer der Konferenz als wichtigen Schritt auf dem Weg zum Panorthodoxen Konzil. - Der Prozess zur Einberufung eines Großen Panorthodoxen Konzils begann 1961 mit einer panorthodoxen Konferenz auf Rhodos; drei weitere panorthodoxe Konferenzen fanden 1963 und 1964 auf Rhodos und 1968 in Chambésy statt. Auf den Konferenzen wurde zunächst eine Liste von Themen erstellt, mit denen sich das Konzil zu befassen habe. Vertieft wurde diese Vorbereitungsarbeit auf drei Panorthodoxen Vorkonziliaren Konferenzen (Chambésy 1976, 1982, 1986), die eine Reihe von Dokumenten und Empfehlungen zu den Fastenvorschriften, den kanonischen Regeln zu Heirat und Scheidung, zum Ostertermin und zum Verhältnis zu den anderen Kirchen sowie zur Ökumene verabschiedeten. Vor allem aufgrund des angespannten Verhältnisses zwischen den Patriarchaten Konstantinopel und Moskau stagnierten die Vorbereitungen zum Panorthodoxen Konzil bis Oktober 2008, als die Oberhäupter aller orthodoxen Kirchen an einem Treffen in Konstantinopel («Synaxis») beschlossen, die Arbeit der Vorbereitungskommissionen wieder aufzunehmen (s. G2W 1/2009, S. 12f.).

Angesichts der Verständigungsprobleme in der Vergangenheit rief Metropolit Ioannis (Zizioulas) zu Beginn der Konferenz in Chambésy in seinem Eröffnungsreferat zur Eintracht auf: «Aufgrund der Struktur unserer Kirche, die aus autokephalen Kirchen besteht, werden wir oft als eine Summe von Kirchen, statt als eine Kirche wahrgenommen. Natürlich ist es richtig, dass die orthodoxe Ekklesiologie die Einheit der Kirche als eine Einheit autokephaler Kirchen versteht. Doch darf diese Deutung auf keinen Fall der Vorstellung Vorschub leisten, wir bildeten ‹Kirchen› und nicht eine ‹Kirche›. Es gibt nur eine und einzige orthodoxe Kirche. Dies manifestiert sich sowohl in ihrem gemeinsamen Glauben und in ihrer Liturgie, als auch in ihrer kanonischen Struktur. [...] Alle orthodoxen Kirchen haben daher beschlossen, das heilige und große Konzil zu feiern. Denn gemäß der jahrhundertealten Tradition der Kirche [...] ist das Konzil die authentischste Form, um die Einheit der Kirche zu bestätigen, zu garantieren und zu proklamieren. [...] Doch die Einberufung dieses Konzils verzögert sich schon so lange, dass es bei denen, die unseren Glauben teilen, einen Skandal provoziert, und bei ‹denen, die außerhalb stehen› mitunter zum Gespött wird. Diese fragen sich, ob die orthodoxe Kirche wirklich eine [Kirche] ist und überhaupt in der Lage, das angekündigte Konzil durchzuführen. [...]

Es lässt sich kaum leugnen, dass die Organisation der orthodoxen Diaspora heute sowohl in kanonischer als auch ekklesiologischer Hinsicht in größter Unordnung ist. Wie wir alle wissen, schreibt der 8. Kanon des I. Ökumenischen Konzils ausdrücklich vor, dass es nicht mehr als einen Bischof in ein und derselben Stadt geben darf. Dieser Kanon ist fundamental, da er die orthodoxe Ekklesiologie zum Ausdruck bringt. Gemäß diesem Grundprinzip eint der Bischof als Oberhaupt der Ortskirche die ganze örtliche Kirche in seiner Person [...]. In der Person des Bischofs transzendieren alle Unterschiede - dem Beispiel Christi folgend, den der Bischof symbolisiert [...]. In der Alten Kirche wäre es absolut undenkbar gewesen, dass es in ein und derselben Stadt einen Bischof für die Griechen, einen anderen für die Syrer, Lateiner oder für die Vertreter jeder anderen kulturellen Identität gegeben hätte. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts hat die orthodoxe Kirche dieses Prinzip pietätvoll respektiert, ehe dann allmählich [...] parallele Jurisdiktionen in der ‹Diaspora› entstanden. Es handelt sich also um ein relativ junges historisches Phänomen, das gegen ein zentrales ekklesiologisches Prinzip verstößt. [...] Das Ökumenische Patriarchat reagierte und rückte den 28. Kanon des IV. Ökumenischen Konzils in den Vordergrund. Dieser schreibt vor, dass in den ‹von den Barbaren besetzten› Diözesen, d. h. jenen, die sich außerhalb der geographischen Grenzen jeder autokephalen Kirche befinden, die Bischöfe vom Oberhaupt von Konstantinopel geweiht werden. Einige Orthodoxe haben diese Interpretation des 28. Kanons angefochten - mit der Folge, dass ein Teil von ihnen dagegen verstieß. Hier ist nicht der Ort, dies zu diskutieren. [...] Das Ökumenische Patriarchat hat - ohne seine Interpretation des besagten Kanons zurückzunehmen sowie aus Sorge um die Wahrung der Einheit der orthodoxen Kirche, die es als höchstes Gut betrachtet, - die Präsenz von Bischöfen anderer orthodoxer Jurisdiktionen in den Ländern der ‹Diaspora› akzeptiert - solange bis Wege gefunden werden, um die Angelegenheit gemäß der im 8. Kanon des I. Ökumenischen Konzils festgeschriebenen kanonischen Ordnung sowie gemäß orthodoxem Glauben und Tradition zu regeln. [...]»

SOP Nr. 340, Juli-August 2009, S. 1f.; S. 19-21; www.portal-credo.ru, 3. Juli 2009. - O.S.

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