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Neues armenisches Religionsgesetz sieht verschärfte Strafen gegen Proselytismus vor

04. Mai 2009

In erster Lesung hat das armenische Parlament am 18. März eine Reihe von Änderungen und Ergänzungen zum Religionsgesetz verabschiedet. Das neue Gesetz wurde mit absoluter Stimmenmehrheit angenommen, nur die sieben Abgeordneten der Oppositionspartei «Das Erbe» enthielten sich aus Protest der Stimmabgabe. Eine Gruppe von Abgeordneten aus fast allen Parteien hatte die Änderungsvorschläge Anfang Februar dem Parlament vorgelegt. Der Sprecher der Gruppe, Armen Aschotjan, Mitglied der regierenden Republikanischen Partei, erklärte an einer Pressekonferenz, dass man verstärkt gegen sog. «Seelenfänger» vorgehen wolle. Dadurch solle der Kreis jener christlichen Organisationen besser geschützt werden, die in Armenien anerkannt sind und die daher auch keine Sanktionen zu befürchten hätten. Aschotjan zufolge sollten all jene Organisationen als christliche gelten, die «Jesus Christus als Gott und die Hl. Dreifaltigkeit anerkennen». Viele Armenier haben laut Aschotjan nämlich von den «Predigern verschiedenster Couleur» mehr als genug. Im neuen Gesetz sei daher eine Definition des Begriffs «Proselytismus» enthalten: Als «Proselytismus» gälten «missionarische Strategien» sowie hartnäckige Versuche, Andersgläubige durch materielle Vorteile bzw. Anwendung von physischer, moralischer oder psychischer Gewalt zum eigenen Glauben zu bekehren bei gleichzeitiger Verunglimpfung anderer religiöser Organisationen und deren Vertreter. Zudem werde unerwünschtes Missionieren in Wohnungen, am Arbeitsplatz, in Freizeitanlagen sowie am Telefon verboten. Bei Zuwiderhandlung sehe das armenische Strafgesetzbuch künftig eine Geldstrafe oder bis zu einem Jahr Haft vor.

Ein weiteres Anliegen des Gesetzes ist laut Aschotjan der bessere gesundheitliche Schutz der Bürger: Die Weigerung von Gläubigen bestimmter religiöser Organisationen, bei sich oder ihren Kindern Bluttransfusionen oder chirurgische Eingriffe vornehmen zu lassen, die wiederholt sogar zum Tod von Menschen geführt hätte, sei «passive Euthanasie» - und in Armenien sei Euthanasie verboten. Bedenklich sei auch die hohe Zahl an Selbstmorden mit religiösem Hintergrund im Land: allein 2006 habe es mehr als 400 solcher Fälle gegeben. Aschotjan ging an der Pressekonferenz auch auf Änderungen bei der Registrierung von Religionsgemeinschaften ein: Um demnächst als religiöse Organisation anerkannt zu werden, müsse man über 500 statt wie bisher 200 erwachsene Mitglieder über 18 Jahre verfügen. Die Änderung des Religionsgesetzes begründete Aschotjan mit der Angleichung an europäische Standards: Schließlich stamme das Gesetz aus dem Jahr 1991 und sei seit 2002 nicht mehr revidiert worden. Bei der Ausarbeitung des Gesetzesentwurfes habe man sich an westeuropäischen Gesetzeswerken sowie an den entsprechenden Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte orientiert. Art. 9 der Europäischen Konvention für Menschenrechte etwa sehe eine Einschränkung der Religionsfreiheit vor, «wenn dies zum Schutz der Rechte und der Freiheit einer Person notwenig» sei. Die Änderungen dienten besonders dem Schutz der Armenischen Apostolischen Kirche, da diese außerstande sei, gegen Abwerbungen vorzugehen. Angehörige nationaler Minderheit sind Aschotjan zufolge aber vom neuen Gesetz ausdrücklich ausgenommen.

Die Abgeordneten der Oppositionspartei «Das Erbe» protestierten gegen die Verabschiedung des Gesetzes, da ihnen erst wenige Minuten vor der Abstimmung die endgültige Fassung des Gesetzesentwurfs vorgelegen hätte. Demgegenüber erklärte Aschotjan, der Entwurf hätte seit dem 6. Januar dem Parlament vorgelegen und man hätte alle eingegangenen Bemerkungen und Vorschläge eingearbeitet.

www.portal-credo.ru, 6. Februar, 19. März; www.religio.ru, 18. Februar 2009 - O.S.

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