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Orthodoxe Bischöfe zum Beten in ökumenischer Perspektive

19. August 2010
Die im März neu gegründete Orthodoxe Bischofskonferenz in Deutschland (s. G2W 5/2010, S. 4f.) hat am 25. Juni eine Erklärung zum Thema «Beten in ökumenischer Perspektive» verabschiedet, die der Informationsdienst «Orthodoxie Aktuell » in seiner Juli-August-Ausgabe dokumentiert.

Erarbeitet wurde das Positionspapier, in dem die 16 orthodoxen Bischöfe sowohl zu grundsätzlichen Fragen zur Ökumene als auch zu praktischen Problemen Stellung nehmen, vom Theologischen Arbeitskreis der Bischofskonferenz unter der Leitung des am «Centrum für Religiöse Studien» der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster lehrenden Professors für Orthodoxe Theologie, Assaad Elias Kattan. Die Erklärung besteht aus vier Abschnitten: Auf die Einleitung und einen «Exkurs: Der Mensch als Liturg der Welt» folgen ein grundsätzlicher Teil über «Das Beten im ökumenischen Kontext» sowie «Praktische Hinweise zu ökumenischen Andachten».

In der Einleitung wird zustimmend aus dem Abschlussbericht der Sonderkommission des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK), die über die orthodoxe Mitarbeit im ÖRK beraten hatte, zitiert, dass das Gebet «im Mittelpunkt unserer Identität als Christen» stehe und zum «Dienst an der Einheit» gehöre. Die Orthodoxe Kirche wisse sich dabei ihrer jahrhundertealten liturgischen Tradition verpflichtet, die die tiefe innere Verbindung zwischen Theologie und Gebet nach dem altkirchlichen Prinzip «lex orandi lex est credendi» zum Ausdruck bringe. Zwischen der Verpflichtung zum Gebet mit anderen Christen und der Treue zur liturgischen Tradition konstatiert das Papier allerdings eine «Spannung ». Vor diesem Hintergrund möchten die Bischöfe ihre «Überlegungen und die praktischen Hinweise nicht als kirchenrechtliche Normen» verstanden wissen, sondern als «eine Hilfe und Inspirationsquelle für den orthodoxen Klerus und das Kirchenvolk in Deutschland.»

Die Frage nach dem Wann und dem Wie des gemeinsamen ökumenischen Betens ergebe sich für viele orthodoxe Christen in Deutschland vor allem daraus, dass sie sich in einem Land befänden, in dem Orthodoxie traditionell nicht beheimatet war, heißt es weiter in dem Papier. Diese Situation sollten die Gläubigen «ohne Berührungsängste» bewältigen, zumal das ökumenische Mitbeten für viele schon zu einer Tradition geworden sei. Anschließend wird zwischen den deutschen Begriffen «Gottesdienst» und «Andacht» unterschieden, die «inhaltlich je nach Kontext sehr unterschiedlich verwendet» würden und nicht mit dem griechischen Begriff «leitourgia» deckungsgleich seien: «Um der Klarheit willen verstehen wir unter dem Begriff ‹Gottesdienst› eine kirchliche Handlung, die in der Regel klare Umrisse, einen inneren Zusammenhang und eine eindeutige konfessionelle Zuordnung aufweist (z. B. eine orthodoxe Vesper, eine katholische Mette oder eine evangelische Komplet). Unter ‹Andacht› verstehen wir hingegen eine Folge von Gebeten, die sich durch die Freiheit ihrer Gestaltung durch die Mitbetenden charakterisiert.» Da aber Andachten im ökumenischen Kontext in Deutschland als «ökumenische Gottesdienste » bezeichnet würden, könnten sich die Orthodoxen «frei fühlen, diesen Begriff weiter zu benutzen, ohne aus den Augen zu verlieren, dass es sich eigentlich um eine Andacht im oben beschriebenen Sinne handelt».

Die «Praktischen Hinweise» beginnen mit der Ermahnung, dass neben der Treue zum orthodoxen Glauben auch die «pastorale Klugheit» zu beachten sei: «Auch wenn gegen eine Gebetsform unter dogmatischen und kanonischen Gründen nichts einzuwenden wäre, empfiehlt es sich, darauf zu verzichten, wenn sie unseren Gläubigen Anstoß geben könnte.» Gegebenfalls sei eine sorgfältige Vorbereitung der Gläubigen notwendig. Im Einzelnen heißt es in den Empfehlungen: «Um der Klarheit willen, dass es sich beim gemeinsamen Beten in Form des ökumenischen Gottesdienstes nicht um eine liturgische Handlung der Kirche im oben skizzierten Sinne handelt, sollten alle Zeichen für eine solche sorgfältig vermieden werden.» Deshalb sollten orthodoxe Geistliche keine liturgische Kleidung, sondern den Talar (Rhason) tragen. Die Mitwirkung von Laien ist aus Sicht der orthodoxen Bischöfe erwünscht und in manchen Fällen sogar notwendig. Bei ökumenischen Gottesdiensten in orthodoxen Kirchen müssen die Türen der Ikonostase geschlossen bleiben, «da der Altarraum nur den liturgischen Handlungen der Orthodoxen Kirche dient und sonst geschlossen bleibt». Große Sorgfalt sei bei der Verwendung von Zeichenhandlungen (Besprengung mit Wasser, Salbung, etc.) geboten, damit nicht der Eindruck entstehe, dass es sich um sakramentale Handlungen der Kirche handele. Bei der Auswahl von Gebetstexten und Gesängen aus der orthodoxen Tradition für ökumenische Gottesdienste soll darauf geachtet werden, keine «liturgisch eindeutig platzierten Worte und Hymnen (beispielsweise das Cherubikon)» zu verwenden; die biblischen Hymnen und andere Texte aus dem Stundengebet böten eine reiche Auswahl.

Beim Sprechen des Glaubensbekenntnisses sei «unbedingt darauf zu achten, dass dies in der ursprünglichen Textfassung des Nizäno-Konstantinopolitanum geschieht, d. h. ohne das ‹Filioque›». Orthodoxe Mitwirkende an ökumenischen Gottesdiensten sollen zudem darauf achten, dass sich «in den Texten, die von ihnen, aber auch von anderen gesprochen werden, keine Widersprüche zur Lehre der Orthodoxen Kirche finden». Ausdrücklich wird dabei «die in jüngerer Zeit häufiger verwendete sog. ‹inklusive› Sprache im Hinblick auf die Anrufung Gottes» genannt. Gleichermaßen sei zu prüfen, ob die verwendete Bibelübersetzung mit der orthodoxen Lehre vereinbar sei: In der Regel gelte dies für die «klassischen» deutschen Übersetzungen (Luther, Zürcher, Einheitsübersetzung), nicht dagegen für sog. «moderne » Versionen (Gute Nachricht, Bibel in gerechter Sprache).

Abschließend heißt es in den «Praktischen Hinweisen»: «Die ökumenischen Gottesdienste sind keine liturgischen Handlungen, die kirchlichen Amtsträgern vorbehalten sind, sondern gemeinsame Gebete, die auch Laien sprechen können. Daher können Männer und Frauen dabei mitwirken. Die Beteiligung von Amtsträgern anderer Kirchen bedeutet keine Lösung der noch immer offenen Frage nach dem Amt, und daher keine Anerkennung der Frauenordination. »

Vollständiger Text in: Orthodoxie Aktuell 7-8/2010, S. 34-38; KNA, 19. Juli 2010 – O.S.

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