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Polen: Einigung auf ein neues Verfahren in der Restitutionsfrage

23. November 2010
Die polnische Regierung und die katholische Bischofskonferenz haben ein neues Verfahren zur Entschädigung für im Kommunismus verstaatlichten Kirchenbesitz vereinbart.

Laut Józef Kloch, dem Sprecher der Bischofskonferenz, sollen künftig die Gerichte über die Entschädigung entscheiden; die bislang zuständige Kommission, bestehend aus je sechs Vertretern der Regierung und der Bischofskonferenz, soll dagegen aufgelöst werden. Das Innenministerium hat inzwischen einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorgelegt, der allerdings noch vom Parlament verabschiedet werden muss.

Gegen die Arbeit der vor 20 Jahren gebildeten Restitutionskommission waren in den letzten Monaten zahlreiche Betrugs- und Korruptionsvorwürfe laut geworden. Ein Bevollmächtigter mehrerer Pfarreien und Klöster bei der Kommission sitzt bereits seit September in Untersuchungshaft. Ihm wird Bestechung von Kommissionsmitgliedern und Gutachtern sowie Betrug von Stadtverwaltungen vorgeworfen.

Der Restitutionsprozess in Polen befindet sich in der Endphase. Die Restitutionskommission hat schon über 2800 Anträge kirchlicher Einrichtungen entschieden. Nach Regierungsangaben sind noch rund 220 Fälle hängig. – Die Kirche hat bislang 590 Immobilien mit einer Gesamtfläche von 60 000 Hektar erhalten. Zuletzt bekam sie meist andere als die enteigneten Grundstücke und Immobilien zugesprochen, weil häufig ihr einstiges Eigentum mittlerweile anderweitig genutzt wird und eine Rückgabe somit ausgeschlossen war. Strittig ist bei diesem Verfahren oft der Wert der Ersatzgrundstücke.

Die oppositionellen Sozialdemokraten halten das bisherige Entschädigungsverfahren für verfassungswidrig. Bereits 2008 haben die Sozialdemokraten daher beim Verfassungsgericht eine Klage gegen das Verfahren eingereicht, über die das Gericht bislang noch nicht entschieden hat.

Von den antikirchlichen Demonstrationen in Warschau und anderen polnischen Städten Ende Oktober hat sich die Parteiführung der Sozialdemokraten dagegen distanziert. Zu den Demonstrationen hatte die neue antiklerikale Partei «Ruch Poparcia Janusza Palikota» (Unterstützungsbewegung für den Abgeordneten Janusz Palikot) angesichts der laufenden Debatte um die In-vitro-Fertilisation (s. vorangegangene Meldung) aufgerufen. Palikot hatte sich vor einigen Monaten von der Bürgerplattform, der Regierungspartei von Ministerpräsident Donald Tusk, getrennt. In Warschau folgten laut lokalen Medienberichten etwa 70 Menschen dem Aufruf von Palikot. In sieben weiteren Städten gab es ebenfalls Protestkundgebungen. An den Demonstrationen nahmen insgesamt aber weit weniger Menschen teil, als die neue Partei erwartet hatte.

Vor der Residenz des Erzbischofs von Warschau-Praga, Henryk Hoser, warf Palikot der Kirche eine «Zerstörung des laizistischen Staates» vor. «Wir wollen nicht, dass die polnische Verfassung durch die Bischöfe gekreuzigt wird und mit ihr alle Freiheiten, die in der Verfassung garantiert sind.» Palikot nagelte dabei symbolisch die Verfassung an ein Holzkreuz.

Die Kirchenführung reagierte gelassen auf die Proteste. Erzbischof Kazimierz Nycz erklärte gegenüber der polnischen katholischen Nachrichtenagentur KAI: «Wir müssen beten und Ruhe bewahren.» Die Gläubigen sollten sich nicht provozieren lassen. Auch Polens Ministerpräsident Donald Tusk kritisierte die von Palikot organisierten Kundgebungen: «Vor der Kirche oder dem Bischofssitz zu protestieren, scheint mir unpassend.»

Kathpress, 29. Oktober 2010.

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