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Polen: "Kreuz-Streit" beeinträchtigt das Ansehen der katholischen Kirche

19. Oktober 2010
Die Zustimmung zur katholischen Kirche in der polnischen Gesellschaft ist gegenüber der letzten Umfrage im Juni um zehn Punkte auf 54 Prozent gesunken, während die Zahl der ablehnenden Stellungnahmen von 25 auf 35 Prozent gestiegen ist. Das Warschauer Meinungsforschungsinstitut CBOS hat diese Zahlen am 21. September veröffentlicht, die einen seit 1989 anhaltenden Trend bestätigen.

Der jetzige drastische Einbruch wird auf den Streit um den Verbleib des Warschauer Holzkreuzes für die Opfer des Flugzeugunglücks in Smolensk im August zurückgeführt (s. G2W 10/2010, S. 6f.). Die polnischen Bischöfe hatten sich in der Debatte über den Standort des Holzkreuzes – wie schon im Präsidentenwahlkampf – gespalten gezeigt, obwohl die Bischofskonferenz vor dem politischen Missbrauch des Kreuzes warnte. Während einige Bischöfe den nationalkonservativen Zwillingsbruder des beim Flugzeugunglück verstorbenen Präsidenten, Jarosław Kaczyński, unterstützten und die Forderung der fundamentalkatholischen «Kreuz-Verteidiger» nach der Errichtung eines Denkmals für die Opfer vor dem Präsidentenpalast guthießen, forderten andere Bischöfe politische Zurückhaltung. Auch die Regierung kritisierte das unentschlossene Verhalten der offiziellen Kirchenvertreter in diesem Streit. Inzwischen hat Präsident Komorowski in der Kapelle des Präsidentenpalasts eine Gedenktafel für Lech Kaczyński, seine Frau und zwölf weitere Opfer aus dem Präsidialamt anbringen lassen. Schließlich wurde das Kreuz am 16. September in einer mit der Kirchenführung nicht abgesprochenen Blitzaktion ebenfalls in diese Kapelle versetzt. Drei Viertel der Polen sind laut einer Umfrage der Tageszeitung «Rzeczpospolita» mit diesem Schritt zufrieden, während am selben Tag mehrere Hundert Menschen gegen den Abtransport protestierten. Hinterbliebene der Unglücksopfer wiederum haben vorgeschlagen, das Kreuz an den Unglücksort zu bringen. Es soll aber nun in Absprache mit der katholischen Kirche in die St. Anna-Kirche in Warschau überführt werden. Der Streit um das Kreuz hat eine Debatte über das Verhältnis von Staat und Kirche in Polen ausgelöst. Die oppositionellen Sozialdemokraten fordern inzwischen gar die Abschaffung des schulischen Religionsunterrichts. Der Pressesprecher der Polnischen Bischofskonferenz, Jozef Kloch, hält diese Initiative jedoch für chancenlos. – Das Ergebnis der Meinungsumfrage wird auch durch die neuesten Verkaufszahlen der katholischkonservativen Kirchenzeitschrift «Gość Niedzielny» (Sonntäglicher Gast) relativiert: Nach einer Meldung vom 23. August wird die Wochenzeitschrift landesweit 144 000 Mal in der Woche verkauft und hat damit im letzten Jahr mit einer 5,5- prozentigen Verkaufssteigerung ihren stärksten säkularen Rivalen, die Zeitschrift «Polityka», überrundet.

NÖK, 2. September; Kathpress, 7., 10., 16., 17. September 2010 – R.Z.

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