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Russische Orthodoxe Kirche erhebt Anspruch auf Königsberger Dom

30. November 2009

Patriarch Kirill I. hat sich Anfang April 2009 mit der Bitte an Ministerpräsident Vladimir Putin gewandt, der Russischen Orthodoxen Kirche in Kaliningrad (Königsberg) bei der Restitution von «Objekten mit religiöser Zweckbestimmung, einschließlich des Domes», behilflich zu sein. Der Königsberger Dom, der einsam auf der Pregelinsel Kneiphof aufragt, ist heute eher historischer Gedächtnisort denn Kirche.

Ein (maßgeblich von der Russischen Kirche mitentwickelter) Gesetzentwurf des russischen Wirtschaftsministeriums sieht vor, dass die vom sowjetischen Staat konfiszierten Gottesdienststätten sowie andere Gebäude «religiöser Zweckbestimmung» den ursprünglichen Eigentümern wieder zurückgegeben werden - eine Art später Wiedergutmachung für Zwangsenteignungen nach 1917. Der fast 700jährige Dom, der jahrhundertelang als evangelischlutherische Kirche genutzt worden war, wurde im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt und blieb bis in die Sowjetzeit eine Ruine. Die umliegenden, ebenfalls schwer in Mitleidenschaft gezogenen Gebäude auf Insel Kneiphof wurden in den Jahren 1945-1953 systematisch abgetragen und als Steinbruch für den Wiederaufbau von Leningrad verwendet.

Bereits in der Zeit der Perestrojka hatte die Russische Orthodoxe Kirche versucht, den Dom für sich zu gewinnen, allerdings erfolglos. Seit 1992 begann unter der Leitung von Dombaumeister Igor Odincev sukzessiv die Sanierung des Domes, mit maßgeblicher Unterstützung der Zeit-Stiftung in Hamburg, des Fuldaer Zentrums für Denkmalpflege sowie verschiedenen Stiftungen vertriebener Ostpreußen. Die Außenarbeiten sind inzwischen abgeschlossen, das Grab Immanuel Kants restauriert, eine Kopie der ursprünglichen Barockorgel wurde im letzten Jahr installiert. Der Turm beherbergt das Dom-Museum sowie ein Kant-Museum, darunter befinden sich eine lutherische und eine orthodoxe Kapelle, die für stille Andachten offenstehen. Gegen die Übergabe des Doms an die Russische Kirche regte sich Widerstand.

Dombaumeister Igor Odincev hält die Forderung der Kirche für «absurd und inakzeptabel», sie sei «ein Verbrechen, ein Angriff auf die Kultur dieser Stadt und ein Versuch, sich rechtswidrig etwas anzueignen». Wenn schon, dann müsse man den Dom den Lutheranern zurückgeben - die sich im Gegensatz zur Russischen Orthodoxen Kirche auch finanziell maßgeblich an der Restauration beteiligt hätten. Er wirft der Russischen Kirche «beinharte kommerzielle Interessen» vor: Wenn die Altstadt, wie geplant, wieder aufgebaut werde, sei die Dominsel eines der lukrativsten Grundstücke von Kaliningrad. Wenn die Russische Kirche mit ihren «erpresserischen Forderungen» durchkäme, würde dies das Ansehen der Stadt gerade in Deutschland schwer schädigen. Der Dombaumeister wandte sich inzwischen mit der Bitte an Präsident Medvedev, dem Ansinnen der Russischen Kirche nicht stattzugeben. Am Wiederaufbau und der Sanierung des Domes hatten sich bereits früher zahlreiche Diskussionen entzündet: Russische Nationalisten erblickten in ihm ein Symbol des deutschen Faschismus, deutsche Denkmalschützer kritisierten die Qualität der Restaurierungsarbeiten. Die Eparchialverwaltung tat die Vorwürfe des Dombaumeisters als Panikmache ab, die verhindern solle, dass im Dom wieder regelmäßig Gottesdienste stattfinden. Allerdings hat die Eparchie Kaliningrad bereits am 29. Dezember 2008 offiziell einen Antrag auf Übertragung des Domes sowie zweier weiterer Königsberger Kirchen in das Eigentum der Russischen Kirche gestellt - wobei sie vor drei Jahren im Zentrum von Kaliningrad bereits eine Kathedrale eingeweiht hat, die 3000 Menschen Platz bietet.

Orthodoxie Aktuell, 9/2009, S. 6f. - O.S.

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