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Russische Orthodoxe Kirche soll Duma bei Gesetzesprojekten beraten

28. September 2009

Patriarch Kirill I. ist am 8. Juli zu Gesprächen mit der Parteiführung von «Einiges Russland» zusammengetroffen, um über ein eine engere Zusammenarbeit zwischen der Kirche und der Partei sowie der Staatsduma zu beraten.

Seitens der Partei «Einiges Russland», die sich selbst als «Partei Vladimir Putins » bezeichnet, nahmen der Sekretär des Präsidiums ihres Generalrates, Vjatscheslav Volodin, dessen Stellvertreter, der Chef des Duma-Komitees für Arbeit und Sozialpolitik, Andrej Issajev, sowie weitere Abgeordnete am Gespräch teil. Unmittelbarer Anlass für das Treffen war die Unterzeichnung der Europäischen Sozialcharta durch Russland am 20. Mai. Die Sozialcharta garantiert grundlegende soziale Rechte, wie etwa das Recht auf Arbeit und soziale Sicherheit. Antiliberale und antidemokratische Kreise in Russland verbreiteten allerdings umgehend unter dem Deckmantel orthodoxer Frömmigkeit die - nicht zutreffende - Behauptung, mit der Unterzeichnung der Sozialcharta würde in Russland der Sexualkundeunterricht an Schulen sowie ein neues, westliches Jugendstrafrecht eingeführt.

Es gelang ihnen, ultrafromme Orthodoxe zu mobilisieren, die sich an Patriarch Kirill wendeten: Er solle die Regierung bitten, die Unterzeichnung rückgängig zu machen; Sexualkunde sei Privatsache der Eltern und nicht der Schule, wo Sexualkundeunterricht nur der Promiskuität Vorschub leisten würde. Erzpriester Vsevolod Tschaplin, der Vorsitzende der Synodalabteilung für die Zusammenarbeit von Kirche und Gesellschaft, ließ verlauten, der Patriarch habe der Bitte der Gläubigen zur Wahrung der Moral stattgegeben. Man sei im Patriarchat zudem davon überzeugt, dass Russland im Europarat mit aller Deutlichkeit für seine Interessen und sein traditionelles, seit langem bewährtes Erziehungssystem und die Verteidigung der Rechte der Kinder eintreten müsse. Auch wenn die Sozialcharta Sexualkunde nicht explizit erwähne, so doch würden gewisse Interpreten der Sozialcharta im Europarat versuchen, dieses Projekt mit Hilfe der Charta durchzubringen.

Die Vertreter von «Einiges Russland», Volodin und Issajev, hätten dem Patriarchen versprochen, solchen Versuchen im Europarat nach Kräften entgegenzutreten. Vor diesem Hintergrund beschlossen das Moskauer Patriarchat und «Einiges Russland» nun am 8. Juli, die Russische Orthodoxe Kirche in den Gesetzgebungsprozess einzubinden. Laut Issajev habe man sich «darauf geeinigt, dem Patriarchat den Plan für die gesetzgeberische Arbeit der Duma vorzulegen, und bei allen Fragen, bei denen auch nur geringste Zweifel auftauchen, Vorbereitungsgespräche [mit dem Patriarchat] zu führen». Damit hoffe man, künftig «alle Missverständnisse aus dem Weg zu räumen». Bei den Gesetzentwürfen handle es sich in erster Linie um solche mit «gesellschaftlicher Relevanz» in Bereichen wie «Soziales, Information und Kultur». In den Satzungen der Duma seien zudem «parlamentarische Anhörungen» zu jedem beliebigen Gesetzentwurf durch die Öffentlichkeit und alle Interessierten vorgesehen. Die meisten Duma-Komitees - zu denen das Komitee für gesellschaftliche Vereinigungen und religiöse Organisationen gehöre - verfügten außerdem über einen «Expertenrat», dem neben Juristen auch Vertreter jener Bereiche angehörten, für die die jeweiligen Gesetze ausgearbeitet würden. Sinn und Zweck der Vereinbarung mit dem Patriarchat sei es, dass die Beratungen «beide Seiten dazu zwingen, sich zu disziplinieren und nichts wichtiges zu übersehen». Die gleiche Vereinbarung habe man bereits mit Gewerkschaften und Arbeitgebern getroffen. Xenia Tschernega, Juristin des Moskauer Patriarchats, erklärte auf Presseanfragen, dass die Russische Orthodoxe Kirche bereits seit 2003 Gutachten zu verschiedensten Gesetzentwürfen erstelle - nicht nur zu Anliegen, die die Arbeit religiöser Organisationen betreffen.

www.portal-credo.ru, 8., 9. Juli; www.religio.ru, 8. Juli 2009 - O.S.

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