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Russischer Staat kauft Bauland für Kathedrale in Paris

20. Mai 2010

Am 11. März hat Vladimir Kozin, Chef der russischen Präsidialverwaltung, einen Vertrag über den Kauf eines Grundstücks in Paris unterzeichnet, auf welchem eine orthodoxe Kathedrale sowie ein «Zentrum für russische Kultur und Spiritualität» entstehen sollen.

Das Grundstück befindet sich am rechten Seine-Ufer in bester Lage am Quai Branly, zwischen Eiffelturm und dem Dôme des Invalides. Die russische Regierung hatte sich an einer eigens anberaumten Sitzung unter dem Vorsitz von Ministerpräsident Vladimir Putin für den Kauf entschieden; der Kaufpreis wurde zum «Geschäftsgeheimnis» deklariert, soll jedoch mindestens 60 Mio. Euro betragen. Es wurde vertraglich vereinbart, dass Russland für das Objekt am Quai Branly einen französisch-russischen Architekturwettbewerb ausschreibt - mit der Auflage, dass sich das Bauvorhaben harmonisch in das umliegende Architekturensemble einfügt. Neben Kathedrale und Kulturzentrum soll das Bauensemble auch das vor kurzem eröffnete Priesterseminar der Russischen Orthodoxen Kirche (s. G2W 2/2010, S. 5) sowie eine Schule für Katechese beherbergen; der Baubeginn ist auf 2012 angesetzt. Laut Valerij Aleksejev, Präsident des kremlnahen «Internationalen Fonds der Einheit orthodoxer Völker», erhält die Russische Orthodoxe Kirche ein kostenloses Nutzungsrecht für die Immobilien, während das Eigentumsrecht beim russischen Staat verbleibt.

In Russland selbst macht sich angesichts der Wirtschaftskrise Unmut über das Prestigeobjekt breit. So schrieb die Moskauer Zeitung «Novaja Gazeta» am 19. Februar, das Bauvorhaben sei Teil von Putins Projekt «Russische Welt» und diene einzig der «politischen Imagepflege Russlands» - was weder die Regierung noch das Patriarchat Moskau verhehlten. In Paris gebe es zehn orthodoxe Kirchen, darunter vier russische, doch mit der neuen Kathedrale solle die «Vormachtstellung des Patriarchats Moskau unter den Orthodoxen in Frank reich gestärkt und zum sichtbaren Zeichen des messianischen Projekts ‹Russische Welt› werden, das Premier Putin und Patriarch Kirill so oft im Munde führen». Die russische Regierung wolle mit diesem Projekt die «Möglichkeiten der Russischen Kirche besser ausschöpfen, um die außenpolitischen Interessen Russlands zu sichern» und «antirussische Schwelbrände» in der russischen Emigration sowie innerhalb der Orthodoxie zu löschen. 2007 sei die Russische Auslandskirche erfolgreich vereinnahmt worden (auch wenn nur die Hälfte ihrer Gemeinden dem Ruf nach Moskau gefolgt seien) - jetzt wolle man die von Moskau unabhängige Erzdiözese orthodoxer Gemeinden russischer Tradition in Westeuropa (Patriarchat Konstantinopel) mit Sitz in Paris neutralisieren. Bereits seit mehreren Jahren arbeite die Russische Orthodoxe Kirche eng mit dem russischen Außenministerium zusammen: Mit dessen Hilfe habe sie die zuvor anderen Jurisdiktionen unterstehenden Kirchen in Biarritz, Bari, Hebron, Jericho und Ottawa, ein ganzes Quartier in Amsterdam, ein Grundstück in Rimini sowie das Nutzungsrecht für mehrere Immobilien in Jerusalem erhalten. Ferner hätten Außenministerium und Kirche vertraglich vereinbart, dass in allen russischen Auslandsvertretungen Kirchen zu eröffnen seien. - In Russland dagegen verfielen hunderte von Dorfkirchen und hunderttausende Gemeindeglieder der Russischen Orthodoxen Kirche lebten unter der Armutsgrenze.

www.novayagazeta.ru, 19. Februar; www.portal-credo.ru, 11. März; www.religare.ru, 12. März; SOP Nr. 346, März 2010 - O.S.

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