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Russland: Anklagen und Strafen wegen „Diskreditierung der Streitkräfte“

31. August 2022

Gegen den Abgeordneten des Moskauer Gemeindeparlaments Konstantin Jankauskas ist ein Verfahren wegen Diskreditierung der Armee eröffnet worden.

Grund für die Anklage ist ein Post in den sozialen Medien vom 14. März, in dem Jankauskas ein Gebet für Frieden und ein Ende des Kriegs in der Ukraine von Papst Franziskus zitiert. Er habe die Worte „für jeden Gläubigen, ja auch einfach für jeden Menschen so einfach und klar“ gefunden, dass er die Rede als Ganzes zitiert habe, erklärte Jankauskas. Wie ein Gebet für Frieden und Leben „irgendjemanden diskreditieren kann“, sei ihm nicht klar. Das sei „absurd“ und ein „Versuch, weiß schwarz zu nennen“.

In seinem Post zitierte Jankauskas die Worte von Papst Franziskus vom 13. März, als dieser angesichts der heftigen Kämpfe um Mariupol dazu aufrief, die „inakzeptable bewaffneten Aggression“ zu beenden, bevor sie „Städte in Friedhöfe verwandelt“. Die Gerichtsverhandlung ist auf den 26. August im Bezirksgericht von Zjuzino, einem Moskauer Verwaltungsbezirk, angesetzt. Bis Ende Juli hat die russische Polizei über 3300 Untersuchungen wegen der „Diskreditierung“ der Armee eingeleitet. Dies ist in Russland seit dem 4. März strafbar.

Einer der Betroffenen ist auch der prominente Geistliche und Blogger Andrej Kurajev, bekannt für seine kritischen Äußerungen über die Kirchenleitung der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK). Ein Moskauer Bezirksgericht befand ihn der „Diskreditierung der russischen Streitkräfte“ für schuldig und verurteilte ihn zu einer Buße von 30‘000 Rubeln. Die Straftat bestand auch in seinem Fall in einer Äußerung in den sozialen Medien, genauer in einer Publikation in seinem LiveJournal-Blog im April 2022. Am 23. August habe die dritte und letzte Verhandlung stattgefunden, alle Anträge seines Anwalts seien abgelehnt worden. Er sei gegen Extremismus, aber werde aufgrund von Extremismus bestraft, erklärte Kurajev gegenüber der russischen Nachrichtenagentur Ria Novosti.

Kurajev ist einer der bekanntesten orthodoxen Publizisten in Russland. Sein Blog auf LiveJournal ist einer der meistgelesenen in Russland, und Kurajev war in der Vergangenheit ein beliebter Interviewpartner bei den liberalen Medien. Oft übte er dabei Kritik an der ROK und ihrer Leitung und vertrat abweichende Positionen. Im Mai 2020 hatte Patriarch Kirill dem Erzdiakon vorübergehend verboten, Gottesdienste zu feiern. Im Dezember 2020 hatte das Eparchialgericht Moskau ihm die Priesterwürde aberkannt, ein Urteil, das Patriarch Kirill zwar bestätigte, aber aussetzte, um Kurajev Zeit zu geben, sich eines Besseren zu besinnen. Im März 2021 lehnte das Eparchialgericht es ab, das Verfahren zu wiederholen. Kirill bestätigte die Entscheidung wiederum, setzte sie aber erneut aus. Schon Ende 2013 hatte Kurajev seine Professorenstelle an der Geistlichen Akademie in Moskau verloren und wurde aus der Theologischen Synodalkommission ausgeschlossen, auch sein Lehrauftrag an der Moskauer Staatlichen Universität wurde nicht verlängert. Kurajev ist nicht der erste Geistliche, auf den das neue Zensurgesetz angewandt wird. Bereits im März 2022 wurde der Priester Ioann Burdin als einer der ersten auf der Grundlage des Diskreditierungsgesetzes zu einer Geldstrafe verurteilt. (NÖK, 26.8.2022)

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