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Russland: Duma stimmt in erster Lesung dem Gesetz über Rückgabe von kirchlichem Eigentum zu

25. Oktober 2010
Die Duma, das russische Parlament, hat am 22. September in erster Lesung mit großer Mehrheit dem Gesetzentwurf zur «Übergabe des in staatlichem oder städtischem Besitz befindlichen Eigentums religiöser Zweckbestimmung an die religiösen Organisationen» zugestimmt.

Unter «Eigentum religiöser Zweckbestimmung» werden ausschließlich Sakralbauten sowie dazugehörige Nebengebäude (z. B. Refektorien, Wirtschaftsgebäude) verstanden, nicht aber Sakralkunst (Ikonen, Ikonostasen), Kirchengerät, Handschriften und Manu- skripte (Evangeliare), die zum Fundus der Staatlichen Museen, Bibliotheken und Archive gehören. Ebenfalls von einer Rückgabe ausgeschlossen sind Architekturdenkmäler, die zum Weltkulturerbe der UNESCO zählen sowie diejenigen, die dem Kulturerbe Russlands zuzurechnen sind. «Übergabe» bedeutet dabei, dass die Gebäude den Religionsgemeinschaften entweder als Eigentum oder zur kostenlosen Nutzung übereignet werden, über die von Fall zu Fall entschieden wird. Allein der Russischen Orthodoxen Kirche sollen laut Alexander Kibovski, dem Leiter der russischen Denkmalschutzbehörde, bis zu 20 000 Objekte übergeben werden, die die kommunistischen Machthaber nach 1917 verstaatlicht hatten.

Den Gesetzesentwurf hat das Ministerium für Wirtschaftsentwicklung unter Federführung des Stv. Ministers Igor Manylov in dreijähriger Arbeit ausgearbeitet. Manylov stellte der Duma auch dessen wichtigste Punkte vor: Der Entwurf liefere eine klare Definition des Begriffs «Eigentum religiöser Zweckbestimmung» und lege eine für die gesamte Russländische Föderation einheitliche Übergabeordnung zu Eigentum oder zur kostenlosen Nutzung an die Religionsgemeinschaften fest. Dem Eigentum zuzuzählen seien ferner das Gelände, auf dem sich das jeweilige Objekt befindet sowie bewegliches Eigentum wie die Innenausstattung der Sakralbauten, Kultusgegenstände, die nicht zum Fundus der Staatlichen Museen gehörten. Eine Übergabe von beweglichem und unbeweglichem Eigentum erfolgt laut Manylov auf schriftliche Eingabe einer religiösen Organisation unter Beibringung aller erforderlichen Dokumente. Die jeweilige föderale, regionale oder städtische Behörde müsse die Eingabe innerhalb eines Monats prüfen; dabei habe sie «das Recht, die Übergabe aus internen Gründen zu verweigern». Bei Übernahme eines Architekturdenkmals oder Kunstgegenstandes hafte die religiöse Organisation für dessen Unversehrtheit, Sicherheit und Pflege. Wenn die Übergabe die Interessen juristischer oder physischer Personen tangiere, sei eine sechsjährige Übergabezeit vorgesehen. Dies gelte beispielsweise für Klöster, in denen heute Kinderheime, Haftanstalten oder Sporteinrichtungen untergebracht seien.

Gegen die neue Übergaberegelung gibt es zum Teil erbitterten Widerstand, insbesondere von den Museen. Kritisiert wird vor allem, dass es der Kirche an Sachkompetenz fehle, die Architekturund Kulturdenkmäler angemessen zu pflegen (s. G2W 4/2010, S. 24-25). – Die zweite Lesung des Gesetzesentwurfs soll im November stattfinden; bisher sind über 100 Korrekturvorschläge eingegangen.

www.portal-credo.ru, 20.–29. September; www.interfax-religion.ru, 5. Oktober 2010 – O.S.

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