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Serbien: Publizist Živica Tucić (1952–2015) verstorben

11. August 2015

Am 27. Juni 2015 ist in Belgrad Živica Tucić im Alter von 62 Jahren verstorben. Der bekannte Publizist war über viele Jahrzehnte einer der bedeutendsten Beobachter und Kommentatoren der kirchlichen Entwicklungen und Ereignisse in Serbien und seinen Nachbarländern.

Tucić, der aus einem kleinen Ort bei Zrenjanin im Banat stammte, studierte nach dem Schulbesuch an der Universität Belgrad Politische Wissenschaften. Er arbeitete viele Jahre in der Presse- und Kulturabteilung der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Belgrad. Daneben war der vielsprachige Tucić, der auch Mitglied des Unabhängigen Journalistenverbands Serbiens war, als Publizist mit dem Schwerpunkt kirchliche Themen aktiv. 2004 gründete Tucić eine Stiftung und benannte sie nach der deutschstämmigen russischen Großfürstin Jelisaveta Fjodorovna (Elisabeth von Hessen-Darmstadt, 1864–1918), die nach ihrer Heirat zur Orthodoxie übergetreten war, als Nonne in den Wirren der Revolution den Märtyrertod erlitt und später heiliggesprochen wurde. Die Stiftung sollte die Verbreitung von Nachrichten aus der Welt der Kirchen ermöglichen und die Qualität von Beiträgen zu diesen Themen in den serbischen Medien verbessern. Sie unterhielt zu diesem Zweck die Nachrichtenagentur VIA (Verska Informativna Agencija), die regelmäßig Informationen aus diesem Bereich anbot und per Mail versandte. In der angeheizten Nach-Milošević-Zeit bestand großer Bedarf an nüchternen und ökumenisch offenen Analysen, wie sie von Tucić durch seine Agentur verbreitet wurden.

Tucić selber war in Serbien ein gesuchter Gesprächspartner der Medien, der durch seine ruhige und überlegte Art überzeugend wirken konnte. Er nahm an zahlreichen öffentlichen Veranstaltungen teil und trat auch häufig im Fernsehen auf. Über Jahre war er für eine Rubrik in der offiziellen Zeitschrift des Belgrader Patriarchats Pravoslavje (Orthodoxie) verantwortlich, die mit „Aus der christlichen Welt“ überschrieben war und ökumenische Nachrichten brachte.

Tucić war bekannt als „verski analitičar“, also etwa „Analytiker in Religionsfragen“. Tatsächlich war seine Fähigkeit zur fundierten Analyse ebenso ausgeprägt wie seine weitreichenden Kenntnisse der Orthodoxie; beides hat zusammen mit seiner ökumenischen Aufgeschlossenheit erheblich zu der Anerkennung beigetragen, die er gefunden hat. Wegen seiner kompromisslosen Positionen ist er oft auch auf Widerspruch gestoßen, zumeist bei nationalistisch und anti­ökumenisch eingestellten Personen und Medien, zuweilen auch in kirchlichen Kreisen. Seine besonnene Stimme wird in der serbischen Öffentlichkeit fehlen.

NÖK, 2. Juli 2015
– Thomas Bremer.

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