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Türkei: Erster armenischer Gottesdienst im ostanatolischen Van seit 100 Jahren

25. Oktober 2010
In der Heilig-Kreuz-Kirche im ostanatolischen Van auf der Insel Achtamar im Vansee hat am 19. September der erste armenische Gottesdienst seit fast 100 Jahren stattgefunden.

An der feierlichen Liturgie, die von türkischen TV- Sendern live übertragen wurde, nahmen rund 4000 Personen teil: vor allem Armenier aus Istanbul, Europa, dem Nahen Osten und den USA sowie Türken und Kurden aus Van und diplomatische Vertreter. Weil die Kirche nur 50 Personen Platz bietet, wurde der Gottesdienst nach außen übertragen. Zele- briert wurde der Gottesdienst von Erz- bischof Aram (Atesyan) von Diyabakur vom Armenischen Patriarchat von Kon- stantinopel. Patriarch Mesrob (Mutafyan), der vor drei Jahren von der türkischen Regierung die Erlaubnis für den Gottesdienst erbeten hatte, konnte aufgrund einer schweren Erkrankung nicht teilnehmen.

Die Teilnahme an der Liturgie kurzfristig abgesagt hatten Vertreter der Armenischen Apostolischen Kirche aus Armenien, die am selben Tag in der armenischen Hauptstadt Eriwan einen Gottesdienst am Mahnmal für den Völkermord an den Armeniern feierten. Auch die Regierungspartei des armenischen Präsidenten Serge Sarkissjan sprach sich gegen jede armenische Teilnahme an der türkischen «Show für die internationale Gemeinschaft» aus. Dem hielt der türkische Kultus- und Tourismusminister, Ertuğrul Günay, am 5. September gegenüber der Zeitung «Hürriet Daily News» entgegen, seine Regierung habe die Feier auf Anregung des «türkisch-armenischen Patriarchats» initiiert: Ob «Griechen, Türken oder Armenier, wir sind alle Kinder dieses Landes», und nur «Nationalisten in der Türkei und in Armenien» würden die Liturgie «zu politischen Zwecken missbrauchen».

In Van leben seit ihrer Vertreibung im Ersten Weltkrieg keine Armenier mehr. Die Heilig-Kreuz-Kirche (arm. Surb Chatsch) gehört zu einer im 10. Jahrhundert errichteten und 1915 zerstörten armenischen Kloster- und Palastanlage. Noch 1910 zählte die Eparchie 130 Ge- meinden, 203 Kirchen und 70 000 Gläubige. In den vergangenen Jahren wurde die aufgrund des reichen Relief- schmucks und ihrer Fresken berühmte Heilig-Kreuz-Kirche von der türkischen Regierung restauriert und als Museum und Kulturdenkmal eröffnet. Untersagt blieben jedoch die Errichtung eines Kreuzes auf der Kuppel und die Zeleb- rierung von Gottesdiensten. Deshalb hatte auch das Oberhaupt der Armenischen Apostolischen Kirche in Armenien, Katholikos Karekin II., die Einladung zur feierlichen Eröffnung im März 2010 zurückgewiesen, während Patriarch Mesrob (Mutafyan) vom Armenischen Patriarchat von Konstantinopel sowie der ökumenische Patriarch Bartholomaios I. ihr gefolgt waren. Im Sommer gestattete die türkische Regierung der Armenischen Kirche die Feier einer Liturgie pro Jahr wie auch die Errichtung des vom Armenischen Patriarchat in Konstantinopel gestifteten Kreuzes auf der Kuppel der Kirche. Beim Gottesdienst am 19. September stand das Kreuz «aus technischen Gründen» noch am Boden vor der Kirche. Türkische Kommentatoren meinten, die Regierung zögere die Aufrichtung wegen des Referendums über die Verfassungsänderung am 12. September hinaus, um der nationalistischen Opposition nicht in die Hände zu spielen.

Im August hatte die türkische Regierung auch den griechisch-orthodoxen Christen erstmals seit fast 90 Jahren einen Gottesdienst im Sumela-Kloster bei Trapzon erlaubt (s. G2W 10/2010, S. 10).

www.rferl.org, 6., 17., 19. September; KNA, 20. September; www.domradio.de, 21. September 2010 – O.S.

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