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Ukraine: Neue rechtliche Vorstöße gegen die Ukrainische Orthodoxe Kirche

15. Dezember 2022

Der ukrainische Präsident Volodymyr Zelenskyj hat die „spirituelle Unabhängigkeit“ der Ukraine betont.

In seiner Ansprache am 1. Dezember 2022 im Gedenken an das Unabhängigkeitsreferendum vor 31 Jahren betonte er, dass „wir es niemals jemandem erlauben werden, ein Imperium innerhalb der ukrainischen Seele zu bauen.“ Der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat der Ukraine (SNBO) habe der Regierung deshalb den Auftrag erteilt, innerhalb von zwei Monaten dem Parlament einen Gesetzesentwurf „über die Unmöglichkeit der Tätigkeit religiöser Organisationen in der Ukraine, die mit Einflusszentren in Russland verbunden sind,“ vorzulegen.

Zudem soll der Staatsdienst für Ethnopolitik und Gewissensfreiheit feststellen, ob das Statut der Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK), das diese an ihrem Landeskonzil Ende Mai 2022 angepasst hat, „kirchlich-kanonische Verbindungen zum Moskauer Patriarchat“ enthält, und gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen. Weiter soll die Regierung innerhalb von zwei Monaten die Rechtsgrundlagen und die Einhaltung von Bedingungen zur Nutzung des Kyjiwer Höhlenklosters durch religiöse Organisationen überprüfen. Der Inlandgeheimdienst der Ukraine (SBU) soll mit anderen Sicherheitsorganen „subversive Aktivitäten russischer Nachrichtendienste im religiösen Umfeld der Ukraine“ untersuchen und bekämpfen. Dazu gehört auch das Verhängen von Sanktionen, unter anderem gegen Einzelpersonen. 

Mit diesen Maßnahmen zielt der SNBO klar auf die UOK, die bis zu ihrem Landeskonzil im Mai dem Moskauer Patriarchat unterstand und immer wieder der Kollaboration mit Russland verdächtigt wird. Hinzu kommt eine Reihe von Durchsuchungen in Gebäuden und bei Geistlichen der UOK und Untersuchungen gegen diese unter der Leitung des SBU in den letzten Wochen. Zudem gibt es in der Rada immer wieder Vorstöße, rechtliche Schritte bis hin zu einem Verbot der UOK zu unternehmen. So wurde Anfang Dezember der Gesetzesentwurf Nr. 8262 in die Rada eingebracht, der die Regulierung der Aktivitäten von Religionsgemeinschaften in der Ukraine verbessern soll, insbesondere im Fall von Jurisdiktionswechseln. Am 23. November wurde schon der Gesetzesentwurf Nr. 8221 zur „Sicherstellung der Stärkung der nationalen Sicherheit im Bereich der Gewissensfreiheit und der Aktivitäten religiöser Organisationen“ von Abgeordneten der Partei Europäische Solidarität des ehemaligen Präsidenten Petro Poroschenko im Parlament eingebracht. Damit sollen die „Aktivitäten der Russischen Orthodoxen Kirche in der Ukraine“ und aller religiösen Gemeinschaften, die zu ihren Strukturen gehören oder sich ihr in kirchlicher oder organisatorischer Hinsicht unterordnen, verboten werden. In diesem Zusammenhang sollten auch alle Mietverhältnisse oder andere Formen der Immobiliennutzung mit den betreffenden Gemeinschaften gekündigt werden. Außerdem soll die Bezeichnung „orthodox“ in offiziellen Namen für die 2018 gegründete Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU) reserviert werden. Eine Petition fordert vom Präsidenten, diesen Gesetzesvorschlag als dringlich einzustufen und vom Parlament außerordentlich diskutieren zu lassen. Auf lokaler Ebene lehnte es jedoch beispielsweise der Provinzrat von Odessa ab, die UOK in seiner Region zu verbieten. 

Gegen ein Verbot der UOK sprach sich die Leiterin des Staatsdienstes für Ethnopolitik und Gewissensfreiheit, Olena Bohdan, aus. Sie verwies auf die große Zahl Geistlicher, die zur UOK gehören. Wenn man diese in ein Verhältnis zu den Untersuchungen gegen Geistliche setze, beträfen sie weniger als 1 Prozent der Geistlichkeit, erklärte sie in einem Interview. Zwar sei das Risiko für Kollaboration in der UOK aufgrund ihrer Geschichte erhöht, zugleich seien Gläubige der UOK als Freiwillige an der Front und in ihren Kirchen werde für den Sieg der Ukraine gebetet. Sie warnte davor, dass ein Verbot der UOK Konflikte mit sich bringen und die Situation in der Ukraine destabilisieren könnte. Am 6. Dezember entließ jedoch die Regierung Bohdan von ihrem Posten. Zugleich unterstellte sie den Staatsdienst für Ethnopolitik und Gewissensfreiheit direkt dem Ministerkabinett. 

In der Rada ist zudem ein Gesetzesvorstoß hängig, das Kabinett aufzufordern, das Kyjiwer Höhlenkloster und die Lavra von Potschajev der OKU zur Nutzung zu übertragen. Eine entsprechende Petition hat innerhalb weniger Tage die nötigen 25 000 Unterschriften gesammelt. Die beiden wichtigen Klöster werden zurzeit von der UOK genutzt. Anfang Dezember löste die Registrierung des „Kyjiwer Höhlenklosters“ durch die OKU große Aufregung aus. Allerdings handelte es sich dabei nicht um eine Übergabe des Klosters an die OKU, wie der Kulturminister Alexander Tkatschenko klarstellte. Die OKU hat ein Kloster in der sog. oberen Lavra auf diesen Namen registrieren lassen, das nichts mit den Klosteranlagen der unteren Lavra, die von der UOK genutzt werden, zu tun hat. Das gesamte Areal gehört dem Staat, der die obere Lavra als Museum nutzt und die untere Lavra der UOK zur Nutzung überlassen hat. (NZ)

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