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Ungarn: Ungarischer Erzabt hält christliches Europa für eine Illusion

20. Januar 2016

„Politiker können eine abwehrende Haltung in der Migrationsfrage nicht mit der Verteidigung des christlichen Europas begründen“ – das hat der Erzabt der Benediktinerabtei von Pannonhalma, Imre Asztrik Várszegi, in einem Interview mit dem ungarischen Wirtschaftsmagazin HVG erklärt. „Ein christliches Europa, ein christliches Ungarn sind Utopien und Illusionen“,

betonte der Präses der Ungarischen Benediktinerkongregation. Die europäische Tradition sei unbestritten christlichen Ursprungs, daraus könne aber noch lange nicht geschlossen werden, „dass wir auch in Tat und Haltung Christen sind“, so Várszegi.

Die Motive einer solchen Argumentation seien zu hinterfragen. Hier gehe es vermutlich mehr um die Verteidigung „unseres Wohlstandes, unseres Komforts und unserer Sicherheit“ und nicht so sehr um die Verteidigung des Christentums, so der Ordensmann, der im Sommer 2015 mit der Aufnahme von Flüchtlingen in seinem Kloster für Aufsehen gesorgt hatte (s. RGOW 10/2015, S. 4). Dem Erzabt zufolge könne die heutige Lage nicht auf den Gegensatz zwischen Christentum und Muslime reduziert werden. Man brauche mehr Informationen, Kenntnisse und vernünftige Töne. Auf Kirche und Politik angesprochen meinte Várszegi: „Die politische Beeinflussung und der unzureichende Informationsstand der Kirche stärken einander und bieten den Nährboden für ein einseitiges Denken.“

Várszegi äußerte sich auch dazu, wie lange es dauere, bis Veränderungen innerhalb der Kirche eintreten. Er stelle eine stärkere Sensibilität für die Herausforderungen an den modernen Menschen und des Zeitalters fest. „Es wird aufrichtig nach den richtigen Antworten gesucht. Auch diesbezüglich war Papst Franziskus‘ Schreiben über die Barmherzigkeit wegweisend.“ Várszegi erklärte, es sei darin eine unglaubliche Akzentverschiebung festzustellen. Ziel sei es, die Menschen zum barmherzigen Gott zurückzuführen, der durch Jesus seine unendliche Liebe gezeigt habe. „Auch wir müssen über diesen Gott sprechen, der den Menschen aufhebt, befreit und beschenkt. Ich bin hoffnungsvoll auch dann, wenn ich weiß, dass die Kirche mit ihrem Apparat überaus schwerfällig sein kann.“

Kathpress, 24./25. Dezember 2015.

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