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RGOW 2021 12: Aufbruch ins Ungewisse - 30 Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion

RGOW 2021 12: Aufbruch ins Ungewisse - 30 Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion

IM FOKUS

Vera Ammer: IM FADENKREUZ DES KREMLS: DIE MENSCHENRECHTSORGANISATION MEMORIAL

ZERFALL DER UDSSR

Alexa von Winning, Klaus Gestwa: Das verkorkste Debüt der Demokratie in Russland nach 1991
Nach dem Augustputsch und mit dem Aufstieg von Boris Jelzin im Sommer 1991 war der Zerfall der Sowjetunion nicht mehr aufzuhalten. Jelzins Regierungszeit war geprägt von der wirtschaftlichen „Schocktherapie“, dem ersten Tschetschenienkrieg sowie dem Machtkampf zwischen präsidialer Exekutive und parlamentarischer Legislative, der 1993 fast in einen Bürgerkrieg gemündet hätte. Trotz der Entwicklung einer öffentlichen Debattenkultur gilt die Wiederwahl Jelzins 1996 als Geburtsstunde der „gelenkten Demokratie“ in Russland.

Tobias Rupprecht: Vor dem Kapitalismus. Der Kollaps der Wirtschaftsordnung 1990/91
Die wirtschaftlichen Folgen des Zusammenbruchs der Sowjetunion trafen die Bevölkerung in den 1990er Jahren mit voller Wucht. Verantwortlich dafür waren aber nicht in erster Linie die liberalen Reformen der Jelzin-Zeit, sondern die schleppenden Maßnahmen unter Gorbatschow. Die Ursachen für die soziale Misere und die sinkende Lebenserwartung reichen bis in die 1970er Jahre zurück. Dies hindert die gegenwärtige russische Regierung nicht daran, die Erinnerung an die 1990er für ihren antiwestlichen und antiliberalen Kurs zu instrumentalisieren.

Katharina Kucher: Abgehängt? Rentner*innen und der Zusammenbruch der Sowjetunion
Ältere Menschen waren vom Zusammenbruch der Sowjetunion in mehrfacher Hinsicht betroffen: Das bereits zuvor marode Rentensystem kollabierte, die Inflation vernichtete die Ersparnisse, die eigene Lebensleistung fühlte sich entwertet an. Für viele Rentnerinnen und Rentner spielten soziale Netzwerke, Tauschhandel, Grundbesitz und – meist weibliche – unternehmerische Kreativität eine wichtige Rolle für die Stabilisierung ihrer Lebenssituation.

Klaus Gestwa: Russland und sein „nahes Ausland“: Außenpolitik nach der Zeitenwende
Der Zusammenbruch der Sowjetunion erforderte auch eine Neuausrichtung der russischen Außenpolitik. Während die „Gemeinschaft unabhängiger Staaten“ (GUS) kaum Integrationskraft entfaltete, beanspruchte Russland weiterhin die Rolle einer Ordnungsmacht im postsowjetischen Raum. Die EU- und NATO-Osterweiterung nahm der Kreml als Schwächung der russischen Einflusssphäre war und reagierte mit einer zunehmend konfrontativen Außenpolitik.

Gesine Drews-Sylla: Performance, Postmoderne, Piratenfernsehen – Kunst der 1990er Jahre
Die frühen 1990er Jahre bedeuteten auch für Kunst und Kultur im postsowjetischen Raum eine Umbruchzeit. Neue Kunstformen und bisher wenig verbreitete Genres und Themen kamen auf, zugleich grenzten sich Kunstschaffende mit einer postmodernen Ästhetik von den sowjetischen Konventionen ab.

Corinna Kuhr-Korolev: Museen als Arenen und Agenten des gesellschaftlichen Umbruchs
Mit dem Ende der Sowjetunion setzte in den russischen Museen ein tiefgreifender Wandel ein. Während der Perestrojka wurde eine kritische Auseinandersetzung mit zuvor tabuisierten Themen möglich, und in der bildenden Kunst traten zuvor abgelehnte Kunststile in den Vordergrund. Zugleich gerieten viele Museen angesichts der Wirtschaftskrise in existenzielle Schwierigkeiten, was letztlich zu einer Wiederannäherung an den Staat führte.

Timm Schönfelder: Gefährliche Altlasten: Umwelten zwischen Kritik und Ökozid
Die forcierte Industrialisierung der Landwirtschaft und toxische Verschmutzungen durch den militärisch-industriellen Komplex in der UdSSR haben bis heute andauernde Umweltschäden hervorgerufen. Die gegen Ende der 1980er Jahre legalisierten unabhängigen Umweltinitiativen wurden in den folgenden Jahrzehnten ausgebremst, und Russland kehrte zum sowjetischen Prinzip zurück: Umweltschutz ist geduldet, wenn er den Projekten des Regimes nicht im Wege steht.

Roman Lunkin: Die vielschichtige Wiedergeburt der Russischen Orthodoxen Kirche
Angesichts des ideologischen Vakuums wurde die Kirche in den 1990er Jahren zu einem hofierten Ansprechpartner seitens des Staates. Von einer „religiösen Wiedergeburt“ lässt sich aber nur bedingt sprechen, erst allmählich entwickelt sich eine Belebung und Diversifizierung des Gemeindelebens von unten. Dagegen hat sich die Kirchenleitung in zunehmende Abhängigkeit von der politischen Führung begeben.

Regula Zwahlen im Gespräch mit Franziska Rich: „Es war eine chaotische Zeit, aber auch eine Zeit großer Hoffnungen“
Franziska Rich hat Anfang der 1990er Jahre die Entwicklungszusammenarbeit von G2W in Russland aufgebaut. Im Interview berichtet sie von den Anfängen kirchlicher Sozialarbeit, den alltäglichen Herausforderungen und Erfolgen sowie ihrer Wahrnehmung der „wilden“ 1990er Jahre.